Levelling Up

PROLOG

Heute bin ich nachdenklich. In letzter Zeit ist so viel passiert. Und noch immer denke ich mit lachendem Herzen zurück an die erste Nacht die Adora und ich miteinander verbracht haben. Angefangen hatte alles mit einer angenehmen ruhigen Stunde nach Feierabend im Cosplay-Café. Und ein paar besonderen Cocktails, die ich nur für Freunde mixe. Aber das ist eigentlich nicht die Geschichte die ich erzählen will…

EINS

Eigentlich möchte ich über einen Moment der Klarheit erzählen, nach unserem ersten Run. Mir ist klar geworden, dass ich auch in der rauhen Wirklichkeit bestehen muss, nicht nur in der virtuellen Welt in der ich mich so gerne bewege.

Der Kampf mit dem schwarzen Lieferwagen auf dem Highway – ich hatte das Auto nicht unter Kontrolle. Ich fühlte mich nicht als Herrin der Lage. Und das wird sich nun ändern.

Diandro hat mir einen Fahrlehrer organisiert, inklusive passendem Wagen. Und ich verrate euch ein Geheimnis – ich liebe Diandro weil er einfach Stil hat.

Der Fahrlehrer ist ehemaliger Rennfahrer und ich bin mit breiten Gurten in den Fahrersitz eines roten Monsters geschnallt, das mehr Leistung auf die Straße bringt als eine Flotte Firmenwagen zusammen. Und das Monster hat kein elektronisches Interface, kaum aktive Sicherheitseinrichtungen und muss mit einem Zündschlüssel gestartet werden.

Eigentlich ein Museumsstück, andererseits eine Bestie, die dich zerreisst, die dich gnadenlos abwirft wenn du nur einen Moment der Schwäche, der Unkonzentriertheit hast. Der Verbrennungsmotor gibt ein tiefes Grollen von sich, das Chassis vibriert, die Schwingungen übertragen sich auf meinen Körper. Wecken mich auf! Und ich spüre auch das Monster in mir, ich bin lebendig! Ich bin wach! Und ich werde diesem Biest zeigen wer hier das sagen hat.

Adrenalin durchflutet meinen Körper als ich das erste Mal aufs Gas steige, die Kupplung kommen lasse, die ungebändigte Gewalt der Maschine mit der Straße verbinde. Und radikal meine Grenzen aufgezeigt bekomme. Ich habe das Monster nicht im Griff, fliege fast von der Straße. Und noch schlimmer – ich habe mich nicht im Griff. Ich spüre nicht was das Monster will – wie soll ich es zähmen?

Doch ich bin nicht allein, geduldig erklärt mir mein Lehrer worauf es ankommt. Es ist nicht nur das Geschick am Lenkrad, mit den Füßen auf den Pedalen. Es ist auch die innere Einstellung. Eine Mischung aus Temperament und Beherrschung.

Und langsam, sehr langsam freunden sich das Monster und ich an. Wir verbringen viele Stunden miteinander. Ich spüre seine Bewegungen, ich möchte gemeinsam mit ihm röhren und fauchen. Und es unterwirft sich meinem Willen – ein wenig. Ich werde noch viel lernen müssen – aber fürs erste bin ich zufrieden. Ich bin erschöpft, schweißgebadet und um eine wertvolle Erfahrung reicher.

ZWEI

Doch nicht nur die Beherrschung eines Fahrzeugs ist oft überlebenswichtig sondern auch – so ungern ich das zugebe – die Beherrschung einer Waffe. Natürlich kann ich ganz gut mit meinem Revolver umgehen. Gezielte Schüsse abgeben. Mich damit verteidigen. Doch da ist noch immer diese Distanz, dieser Widerwille. Und die Gewissheit dass mich diese Distanz potentiell das Leben kosten kann.

Den Kontakt habe ich vom Raucher. Sie sieht nicht so aus als könnte sie mir beibringen wie man mit Schusswaffen umgeht. Ich könnte sie genauso gut in einem Büroturm getroffen haben. Sie ist die Beherrschtheit in Person. In einem Business-Outfit das mehr kostet als meine gesamte Garderobe. Und sie lächelt nie. Ihre Augen sind ruhig – ich finde keinen besseren Ausdruck.

Die Lektion beginnt mit einem Schritt zurück zum Anfang. Laden der Waffe, Entladen der Waffe. Bedienung der Sicherung. Das kann ich schon alles. Dachte ich. Aber nach mehreren Hundert Wiederholungen spüre ich, dass es noch viel zu lernen gibt.

Ab auf den Schießstand, eine große Schachtel mit Patronen liegt auf einem Tisch vor mir. Bis zum Ende der Lektion wird die Schachtel leer sein. Und das ist nur die Munitionsmenge für diese Trainingseinheit.

Ich schieße eine Runde. Alle Treffer in den inneren schwarzen Kreis. Ich bin stolz auf mich. Und doch habe ich mehrere Fehler gemacht. Meine Körperhaltung wird von meiner Lehrerin an drei Stellen korrigiert. Ich war zu schnell. Zu wenig Zeit für die Stabilisierung nach der Schussabgabe.

Eine weitere Runde. Und noch eine. Die Treffer beginnen zu streuen. Ich brauche die gesamte Zielscheibe. Mein Körper ist die einseitige Anspannung nicht gewohnt. Leichtes Zittern, leichte Krämpfe. Ich muss da durch. Die Schachtel mit Munition ist noch nicht einmal halb leer.

Und nach jeder Runde – Fehleranalyse. Erneute Konzentration. Nach dem ersten Tag auf dem Schießstand bin ich körperlich am Ende. Weitere Tage folgen. Und ich arrangiere mich mit meinem Revolver. Ich muss ihn nicht lieben, er ist ein Mittel zum Zweck. Die Distanz ist gewichen. Und manchmal gelingt mir auch diese innere Ruhe, die meine Lehrerin ausstrahlt. Und auch unter Streß treffe ich nun immer besser.

Ich habe das Gefühl besser für den nächsten Run gerüstet bin. Ich hoffe, dass ich meine neu gewonnene Fertigkeit nicht so schnell brauchen werde. Aber diese Hoffnung ist wohl naiv.

DREI

Ich brauche was zur Aufheiterung. Soft Skills heißt das Zauberwort. Der Kurs heißt „Überzeugen und professionell Verhandeln“. Und ich komme mir extrem fehl am Platz vor. Ich bin umgeben von Executives aus verschiedenen Firmen. Eine bunte Blume in einer grauen Wiese. Was ich mir unter dem Dresscode „Business Casual“ vorgestellt habe trifft es offensichtlich nicht ganz. Es könnte ein wenig – sagen wir mal – zu frivol sein.

Nach endlosen Grundlagen zu Kommunikationstheorie, Psychologie, Körpersprache, gewaltfreier Kommunikation, aktivem Zuhören und vielem mehr bin ich kurz davor aufzugeben. Ja – ich bin ein Mädel (meistens) und manchmal auch kompliziert und zickig. Aber hier tun sich Abgründe auf.

Kann man nicht einfach – frei von der Leber weg – sagen was man will? Offensichtlich nicht – ist unser Vortragender – ein weiterer ununterscheidbarer Anzugträger überzeugt. Und um das Gelernte auch zu üben ist es nun Rollenspielzeit. Da lacht das Herz von Amine, Rollenspiele! Nach einem ersten peinlichen Fehlstart muss ich meine Definition von „Rollenspiel“ wohl ein wenig erweitern und deutlich jugendfreier machen.

Gemeinsam mit einem Anzugträger spiele ich ein Gespräch zur Vergabe eines Auftrags durch. Hier gilt es also das Gegenüber zu überzeugen, dass frau die richtige ist. Und da nur der Tod umsonst ist (und der kostet das Leben) muss ich auch noch um die Höhe des Auftrags verhandeln.

Wie hab ich das bisher bei neuen Auftraggebern gemacht? Eine gemeinsame Wellenlänge herstellen? Verringern von Kommunikationsbarrieren? Einstellen auf den Partner?

Als ich mit der Hand über den Oberschenkel meines Gegenübers streichle und mit der anderen beginne die oberen Knöpfe meiner Bluse zu öffnen werde ich vom Vortragenden mit einem strengen „Fräulein Anime, so geht das aber nicht!“ eiskalt ausgebremst.

Ich bin erschüttert! Nur mit Worten überzeugen? Wie soll ich das denn hinkriegen?

Der Abend war dann noch lang und das war auch nicht die letzte Peinlichkeit. Aber irgendwann habe ich dann doch das eine oder andere kapiert. Und seltsamerweise hatte ich nie Probleme Partner für die Rollenspiele zu finden. Und der eine oder andere Anzugsträger war dann doch nicht so langweilig – wie sich im Laufe des Kurses herausstellte. Öffne ihnen den Krawattenknoten und du läßt ein Tier von der Leine!

Der Vortragende hat sich sein Honorar jedenfalls redlich verdient. Und ich bin eloquenter geworden – aber noch lange keine Lady. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln.

EPILOG

Nun wisst ihr also womit sich eure schnuckelige Amine die Zeit zwischen ihren Abenteuern vertreibt. Und über Adoras ersten Abend mit mir erzähl ich euch ein andermal. Küsschen ihr Lieben!

Schreibe einen Kommentar