PROLOG
Neuer Tag, neues Glück. Wir haben uns eine kleine Auszeit gegönnt um neue Kräfte und Ideen zu sammeln. Ich nütze die Zeit für einen radikalen Stilwechsel. Nach dem Desaster, das Amine im Club Pharaoh erlebt hat, habe ich beschlossen wieder einmal als Amin durch die Welt zu gehen. Das geht natürlich nur mit dem passenden Outfit – mein Konto fängt schon vorsorglich an vor Angst zu zittern.
So schlimm wird es dann doch nicht – beim Herrenausstatter (kommt von stattlichen Preisen) finde ich nur Outfits im Themenbereich Hugo Boss (kennt den heute noch wer?). Zuviel Testosteron, zu wenig apart und offen gesagt auch zu teuer. Nach ein bisschen Recherche im Netz finde ich einen atemberaubenden schwarzen Frack mit Manschetten der exzellent zu meiner androgynen Figur passt. Und meine blauen Haare passen auch nicht zu dem schwarzen Frack. Deshalb schau ich auch noch in meinem Lieblingshaarstudio vorbei.
Meine Stylistin schlägt mir vor meine Haare schlohweiss zu färben und in einen simplen langen Zopf zu binden. Das gefällt mir schon sehr gut, ich frage aber ob es noch etwas extravaganteres gibt. Gibt es – Nanohaarfarbe, die elektronisch steuerbar die Farbe wechseln kann. Sogar komplexe Muster werden unterstützt. Kontrolle per Steuergerät (how quaint). Da kaufe ich lieber eine Lizenz für die Steuerschnittstelle und docke meine Haare direkt an mein TAP an. Die Sicherheit der Schnittstelle beeindruckt mich jetzt nicht wirklich, ich riskier es aber, dass meine Haare nun hackbar sind.
ZWEI
Nach Shopping und Haarstudio treffe ich am frühen Nachmittag im Cosplay-Café ein. Rosi und Adora stehen hinter der Bar und sind sichtlich erfreut über mein neues Aussehen – hoffe ich zumindest. Bei Adora kann ich als Amin sicher landen (so schöne Erinnerungen an jene Nacht). Auch Tesla ist schon da und bildet das übliche Stilleben mit seinem Soybier aus dem ich ihn mit einer Umarmung reiße. Ich mag den Kerl ernsthaft, vor allem seine ruhige besonnene Art und als Saufkumpan ist er auch nicht ohne.
Nur Lilian fehlt (mir) noch. Ich lade sie ein ins Café zu kommen damit wir alle gemeinsam neue Pläne aushecken können. Sonst ist nur das übliche junge Publikum im Cosplay, auch Kenji und seine Freunde wie ich mit Freude feststelle. Über den Newschannel kommen spannende Nachrichten – Pluto wird sich bald in die Reihe besiedelter Planeten einreihen. Irgendwann werde ich auch einen anderen Planeten betreten – doch das bleibt ein Wunsch für die fernere Zukunft.
Lilian trifft im Café ein und stellt sich an meine Bar. Ich begrüße sie mit Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen links (drei müssen es sein). Ihr irritierter Blick weicht erst einem Lächeln als sie meine Stimme erkennt – Überraschung gelungen! Darf ich mich vorstellen – mein Name ist Amin (ohne „e“ am Ende“).
Wir ziehen uns alle in ein Hinterzimmer zurück um in Ruhe zu „Frank“ zu recherchieren. Dorothy erweist sich wieder einmal als ergiebige Quelle für Informationen. Frank war/ist ein gut aussehender Afrikaner aus dem engen Freundeskreis von Rex Richardson. Er erledigte für Frank ungefähr dieselben Aufgaben wie Dorothy für Sami – Agent, Projektmanager, Problemlöser. In den letzten (ca. 4) Monaten war die Distanz zwischen den beiden gewachsen. Sie wurden kaum mehr miteinander gesehen. Frank war gerne auf Parties unterwegs und verbrachte selten einen einsamen Abend – Escorts gingen bei ihm ein und aus. Er hat ausser einem – distanzierten – Bruder keine weitere Familie.
Wir haben auch seine Adresse – ein Blick auf eine Online-Landkarte zeigt uns, dass sein Luxus-Penthouse (15. Stock) in einem der schlechteren Stadtteile liegt. Es ist jedoch umgeben von einem Dachgarten und sicher luxuriös eingerichtet. In der Gegend sollte wenig Polizei auf den Straßen präsent sein. Wir rechnen mit mittlerer bis niedriger Security in seinem Wohnblock mit Kameraüberwachung und mit Zugangskontrollen in der Lobby. Lilians Kontakt Luis liefert noch weitere Informationen – die Gegend ist Gebiet der mexikanischen Gang „Machete“, die mit exotischen Drogen (Nanodrugs) handelt – meine Neugier ist geweckt. Vielleicht probier ich das Zeug mal aus. Oder ich bleibe bei meinem Lieblings-Nasenpuder Kokain (70 Credits für 30 Minuten im Himmel), das hat mehr Stil, wie prickelnder Champagner.
DREI
Zeit aufzubrechen und vor Ort in Franks Wohnung nach weiteren Information zu suchen. Wir müssen uns aufteilen. Auf meinem Bike haben nur zwei Personen Platz. Den Sozius hat sich Lilian reserviert. Adora und Tesla fahren schon mal mit ihren Jumpboards vor. Lilian und ich werden sie leicht einholen.
Ich nehme noch einen Drink mit ihr und beauftrage Raffaella mit der Recherche zum Tod der beiden Escorts. 100 Credits ist mir eine erste Ermittlung durch sie wert. Raffaella kann auch recht flott erste Bilder von den beiden Leichen-Fundorten liefern, Polizeivideos und Clips aus den Nachrichtennetzwerken.
Aus einem Impuls heraus frage ich Lilian ob sie mein Bike lenken möchte. Sie stimmt begeistert zu, ich steige hinter ihr auf und halte mich an ihr fest als wir gemeinsam davonschießen. Anfangs sind ihre Flügel noch im Weg aber schnell finden wir eine Position die für beide komfortabel ist. Es wird eine aufregende Fahrt – Lilian kommt wunderbar mit meinem kräftig motorisierten Bike zurecht.
Auf dem letzten Stück des Weges bemerke ich, dass wir genau beobachtet werden. Immer wieder ruhen prüfende und auch mißtrauische Blicke auf uns. Menschen verschwinden schnell in Seitengassen und Hauseingängen. Wir sind jedoch schnell genug um sie noch auf ihrem Rückzug zu sehen. Andere wiederum fungieren offensichtlich als Aufpasser – gut sichtbar und wachsam. Bikes sind hier in der Gegend keine zu sehen, wir fallen umso mehr auf. Dafür stehen oft schwer ramponierte Autos am Straßenrand. Und das Business in diesem Stadtviertel ist lebendig – Discos, Nachtclubs und auch eine bunte Auswahl von Lokalen warten auf Kunden. Lilian parkt das Bike vor einem Club, nicht weit entfernt von dem Wohnblock in dem Franks Penthouse liegt.
Da ich mein Bike ganz und unversehrt nach Hause fahren möchte bezahle ich ein paar Kids als Aufpasser. Ich weiss nicht wovon sie mehr fasziniert sind – von Lilian und mir in unseren makellosen Outfits oder von meinem Bike. Lilian spürt offensichtlich die bewundernden Blicke und posiert mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Bike. Bei so viel erotischer Schönheit fällt mir auf einmal das Atmen ein wenig schwer (You Are My Angel) und meine Libido meldet sich mit Vehemenz. Ich mache für mich ein hochauflösendes Photo – an diesen Anblick möchte ich mich noch lange erinnern.
VIER
Aber nun wird es Zeit für unsere Suche nach weiteren Informationen. Ich schalte eine der Überwachungskameras in Franks Wohnblock auf „Repeat“ – sie wird nun aufgezeichnete Überwachungsbilder in einer Endlosschleife an die Zentrale schicken. Das gibt Tesla die Möglichkeit seine Überwachungsdrohne an einer Gebäudeseite bis aufs Dach zum Penthouse zu fahren. Und schon wissen wir dank des Videostreams der Drohne mehr. Das Penthouse besteht aus einem Wohnzimmer, einem Arbeitsraum, einer Küche, drei Schlafzimmern und zwei Badezimmern. Wow – dieser Frank ist echt gut im Geschäft! In der Wohnung leuchtet kein Licht, nichts regt sich, niemand daheim. Und selbst von aussen ist zu sehen wie unordentlich es in der Wohnung ist – das findet Lilian seltsam, ich stimme ihr zu.
Phase zwei – Einsatz für Lilian. Sie betritt die Lobby des Wohnblocks, geht direkt zum Lift, vorbei am Security-Desk der nur mit einem jugendlichen Mitarbeiter besetzt ist. Er interessiert sich nicht für Lilian – er ist offensichtlich tief abgetaucht in einer Online-Welt. Lilian besteigt den Aufzug. Für das Penthouse ist ein eigener Security-Code notwendig – hier geht es also nicht mehr weiter. Also zurück für sie zum Security-Desk.
Lilian erzählt ihre übliche Cover-Story. Sie wurde von Frank eingeladen und soll in seiner Wohnung auf ihn warten. Der Mitarbeiter kann ihr leider auch nicht weiterhelfen. Er hat keine Informationen über Frank und auch keinen Zutrittscode für das Penthouse. Dafür ist er aber weitgehend von Lilians Charme geblendet. Die Verbindung zum Security-System des Wohnblocks vernachlässigt er aber dennoch nicht. Schade. Das wäre wohl zu einfach gewesen.
Auf Bitte von Adora schalte ich weitere Kameras des Wohnblocks auf „Repeat“. Was hat sie vor? Kurze Zeit später meldet sie sich vom Dach des Wohnblocks. Mir bleibt der Mund offen vor Staunen. Wie hat sie das bloß gemacht. Und auch das Eindringen in die Wohnung ist kein Problem für sie. Bold move Mylady! Hoffentlich ist nicht inzwischen ein halbes Polizeirevier auf dem Weg hierher.
Auch die Drohne kann nun in die Wohnung und liefert Bilder aus dem Innern. Ein Luxus-Penthouse wie aus dem Bilderbuch. Echte Bilder an der Wand, komfortable Sitzmöbel die zum Entspannen einladen, Drogen im Nachtkästchen – und zu viele Medikamente.
Hier hat jemand aus der Musikbranche sein Domizil. Im Arbeitszimmer findet sich ein kleines Musikstudio, sauber untergebracht auf einem einzelnen Schreibtisch. Unter dem Schreibtisch entdeckt Adora einen Lichtwellenleiter – dünn wie ein Haar. Unter Teslas Anleitung verbindet sie ihn mit dem Kamerainterface der Drohne. Und auch das andere Ende des Leiter findet Adora – ein in den Schreibtisch eingebautes kleines autonomes System (AS). Nicht verbunden mit dem allgegenwärtigen Netz.
FÜNF
Nun bin ich wieder an der Reihe. Über die Drohne habe ich Zugriff auf das AS und werde beim Einstieg mit einem visuellen Interface empfangen. Vor mir schwebt ein Dschinn in einer Wüstenlandschaft und fragt mich nach dem Zugangscode. Als ob ich den wüsste… prompt geht auch mein erster Hackversuch schief.
Der Dschinn droht damit alle Daten zu löschen wenn ich das nochmals versuche und fragt nochmals vehement nach dem Zugangscode. Meine Zeit läuft ab, einen Versuch habe ich noch. Und diesmal habe ich die notwendige Konzentration – der Zugangscode erscheint. Ich nenn ihn dem Dschinn und erhalte Zugriff auf alle Daten.
Mir steht der Schweiß auf der Stirn – das war knapp. Und ich riskiere nichts. Ich befehle ein komplettes Backup der Daten auf einen meiner Datenspeicher im Netz. Adora sorgt dafür, dass niemand anderer an die Daten kommt – sie nimmt das AS einfach mit.
Ein erster Blick auf die Daten offenbart erstaunliches – wir haben alle wichtigen Daten aus Franks Leben. Alle. Auch alle Security-Codes! Jackpot! Nun kann auch Lilian ohne weitere Probleme ins Appartement. Es ist für sie nur eine Sache von wenigen Sekunden um festzustellen, dass das Security-System einen Alarm abgesetzt hat – direkt an Frank. Nur die Alarmmeldung wurde scheinbar (wahrscheinlich) nie zugestellt. Die Alarmanlage ist nun aus und Adora und Lilian können sich in der Wohnung frei bewegen. Ein vorerst verborgener Bereich hinter einem Schrank wird ebenfalls für uns zugänglich. Hier lagert Frank seine Waffen, wichtige Papier-Dokumente (ja – das gibt es noch) und einen Smaragadring mit der Gravur „With Love“.
Wir haben alles was wir brauchen. Schauen wir, dass wir hier wegkommen. Adora braucht keinen Aufzug um das Gebäude zu verlassen (wie macht sie das?). Lilian fährt einfach mit dem Aufzug nach unten.
SECHS
Zurück im Cosplay-Café können wir Franks Daten genauer in Augenschein nehmen. Wir brauchen Informationen für unsere Auftraggeberin Sami. In seinen Kontakten finden wir seinen Bruder, Dorothy und auch eine prominente Person bei Falcon Records. Frank hat offensichtlich für beide Labels gearbeitet und munter Geschäfts-Geheimnisse in beide Richtungen weitergeleitet. Nicht die feine Art.
Noch weniger fein sind die anderen Tätigkeiten Franks. Er hat für Rex Richardson Drogen besorgt, Schläger angeheuert und auch dafür gesorgt, dass der Tod der beiden Escorts keine hohen Wellen schlägt. Beide sind an einer Überdosis Drogen gestorben. Auch die illegalen Steuertricks von CRC finden wir hier fein säuberlich dokumentiert. Druckmittel gegen Sami und ein detaillierter Schlachtplan für Rex um Sami aus dem Label zu drängen runden die wunderbare Datensammlung ab.
Wie ich schon gesagt habe – Jackpot! Wir haben alles notwendige für unsere Auftraggeberin.
Ich versuche auch Kontakt zu Frank aufzunehmen – anonymisiert über mehrere Proxies – doch vergeblich. Sein TAP ist offline.
SIEBEN
Am nächsten Tag treffen wir Sami und Dorothy im Cosplay-Café und servieren ihr alle Daten die sie braucht um Rex abzuschießen auf dem Tablett. Wortwörtlich – das komplette Dossier über Rex ist auf einem Tablet-Computer gespeichert. Ihr Blick wird immer finsterer als sie die Daten durchsieht – besorgt beobachtet von Dorothy.
Unser Auftrag ist jedenfalls erfüllt und wir erhalten jeweils weitere 4.000 Credits. In den nächsten Tagen laufen einige Pressemeldungen von CRC Records durch die Nachrichten-Netzwerke.
„Rex Richardson erholt sich gut von seinem Herzinfarkt – er wird bald das Spital verlassen können“.
„Um Rex Richardsons Gesundheit steht es schlechter als erwartet“.
„Die Gala zur Wiedervereinigung von Rex und Sami musste wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten des CEOs von CRC leider abgesagt werden“.
„CRC Records trennt sich von CEO Rex Richardson.“
EPILOG
Ist das schön wenn ein Auftrag erfolgreich erfüllt ist. Und insgesamt 5.000 Credits haben wir jeweils auch erhalten!
Aber Moment mal – wieviel ist denn eigentlich das Vermögen von Frank wert auf das wir nun – potentiell – Zugriff haben?
Eine erste Schätzung ergibt einen Gegenwert von mehr als 2.000.000 Credits! Mir bleibt die Luft weg – was sollen wir mit solch einem Vermögen?
Aber das können wir uns noch überlegen – jetzt wird der erfolgreiche Abschluss des Auftrags gefeiert.
Und auch von Amin gibt es Küsschen zum Abschied – Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen links (drei müssen es sein)!