Amsterdamned – Teil 2

EINS

Das Tarnmuster ist geladen. Ein Befehl und meine Haare wechseln von Reinweiß in das Fleckenmuster. Ich werfe den Kopf herum, meine Haare wirbeln durcheinander. Die Drohnen stoppen ihren Zielanflug, das Ziel das sie erfasst hatten verschwunden in wirbelnden Mustern.

Doch ich erkaufe mir nur wenige Sekunden. Mein Glück verlässt mich. Zuerst trifft ein Dart in den rechten Oberschenkel, kurz darauf ein zweiter in den Oberkörper. Geschockt reisse ich den Dart heraus. Dunkle Flüssigkeit tropft von seiner Spitze. Game Over. Mein Bewusstsein schaltet sich ab. Erlischt innerhalb eines kurzen Augenblicks.

ZWEI

Zarte kleine Rinnsale von Blut laufen Sarahs Körper herunter. Kleine Wunden – geschlagen von stählernen Klauen. Das Ziel ist nicht zu töten, zumindest nicht gleich. Zuerst wird das Opfer zermürbt, geschwächt, sein Willen gebrochen. Bis jede Gegenwehr erstirbt.

DREI

Ich tauche noch einmal für kurze Zeit aus der Finsternis der Bewusstlosigkeit auf. Starke Hände tauchen wie aus dem Nichts auf. Drücken mich auf den Boden. Im Hintergrund gibt eine hohe Stimme präzise Anweisungen. Ein breites Band gleitet über meinen Hals, deaktiviert meinen TAP. Eine weitere Injektion mit einer kleinen schwarz gefüllten Spritze. Wieder Abtauchen in die Finsternis. Diesmal wache ich nicht mehr auf.

VIER

Katze und Maus. Euer Spiel ist jetzt aus. Eine Salve aus einer vollautomatischen Waffe streckt die mörderische Kreatur nieder. Maria nimmt den Finger vom Abzug. Ein einziges Wort an ihre Gang: „Los!“.

Mörderische Kreaturen sind keine weitere Kugel mehr wert. Sie erschlagen sie mit Knüppeln. Dreschen auf sie ein bis nur mehr ein zerbrochener Haufen Fell Blut und Knochen von ihr übrig ist.

FÜNF

Der schwarze Lieferwagen hält direkt neben der betäubten Gestalt. Ihre langen Haare verdecken ihr Gesicht. Kein Muskel regt sich in ihrem Leib.

Die Türen zum Laderaum öffnen sich. Starke Hände wollen den Körper in den Laderaum heben. Doch dazu kommt es nicht mehr.

Sie haben die Motorräder zu spät bemerkt. Die dunkel gekleideten Agenten kommen nicht mehr dazu zu ihren Waffen zu greifen. Es wäre sinnlos die Arme zu heben. Das wissen sie.

Diandro und seine Gang zögern nicht. Sie erschießen alle Agenten. Simpel, effektiv und endgültig. Der schwarze Van ist praktisch um die vier leblosen Körper wegzubringen. Drei Agenten – und Amine.

SECHS

Ich schlage langsam und mühsam meine Augen auf. Ich blicke in die wunderschönen Augen von Sarah. 

Willkommen zurück im Leben Schmetterling.

Nun entdecke ich auch die Wunden in ihrem Gesicht. Wer hat dir das angetan Sarah?

Eine zweite vertraute Stimme – Iska! 

Ruh dich aus Amine – alles wird gut.

SIEBEN

Die beiden Soldaten, die der Raucher alarmiert hatte treffen nur einen Moment später in Vinitas Büro ein. Erwidern das Feuer. Und einen weiteren Moment später ist alles vorbei. Vinita ist tot. 

Der Raucher stößt ein trockenes Husten aus. Greift sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust. Auch wenn die Kugeln kleinkalibrig waren – eine kugelsichere Weste bewahrt dich nur vor dem Tod. Nicht vor den Schmerzen.

In einer Hosentasche findet er eine fast leere Packung Zigaretten. Rauchen ist hier zwar verboten – doch wen kümmert das noch. Mit traurigen Augen zündet er sich eine Zigarette an. Der Rauch kräuselt sich durch die Luft.

Amsterdamned – Teil 1

EINS

Mit leicht zitternden Fingern dämpft der Raucher die Zigarette aus. Die Begegnung mit Vinita hat ihn stärker mitgenommen als er zugeben will. Kurz bevor er das Büro verlassen will bekommt er eine Alarm-Meldung auf sein TAP zugesendet. Das von ihm kürzlich installierte Monitoringsystem ist wahrscheinlich wieder defekt und ruft um Hilfe.

Doch diesmal ist es keine interne Fehlermeldung. Jemand hat eine Staffel Reaper-Drohnen losgeschickt. Das kann nur eines bedeuten. Er sprintet los, so schnell ihn seine Füße tragen können.

ZWEI

Ich liebe die Freiheit, die mir mein neues Bike bringt. Ich jage über die Highways, schleiche damit durch enge Gassen und spiele Abfangen mit anderen Bikern. Ich bin euphorisch. Plötzlich tauchen in meinem Rückspiegel drei kleine Objekte auf. Keine Fahrzeuge – Drohnen! Sie holen schnell auf und schließen in kurzer Zeit mein Bike und mich in einem Dreieck ein. Ich muss lachen – schon wieder so verrückte Kiddies die mit ihren Drohnen Formationsflüge üben. Ich fahre an den Straßenrand um mir die Drohnen näher anzusehen – diese Modelle kenne ich noch nicht. Eine kurze Recherche im Netz ergibt auch kein Ergebnis. Ich bin mißtrauisch geworden und schicke ein Bild der Drohnen an Diandro – vielleicht hat er schon etwas über diese Drohnen gehört. Kurz darauf kollabiert mein Netzzugang und die Drohnen rücken näher.

DREI

Ein unbedarfter Beobachter hätte gestaunt über den Anmut und die Grazie der Kreatur, die hier durch die Nacht schleicht. Ein Wesen – teils menschlich jedoch mit stark felinem Einschlag. Kein natürliches Wesen kann sich so schnell und präzise bewegen. Dieser Schatten der Nacht ist in einem Labor gezüchtet und mit Cyberware der neuesten Generation ausgestattet worden. Und diese Kreatur ist auf der Jagd. Eine Beute will erlegt werden. Das Wesen hat die Koordinaten, ein Bild und – ein Akt der Höflichkeit – einen Namen. Sarah. Simpel und schön.

VIER

Eine beinahe kitschige Idylle – das Heim von Diandro und seiner Freundin Maria. Auch ein Ganganführer möchte einmal ausspannen und einen ruhigen Abend mit einem guten Essen genießen. Das wird heute jedoch nicht passieren. Das Foto von Amine reißt Diandro aus seinen entspannten Gedanken.

Diese Drohnen hat er nicht zum ersten Mal gesehen. Sie sind leise, sie sind schnell und sie sind tödlich. Sie agieren als autonomer Schwarm und führen selbsttätig Missionen aus. Sie sind nahezu so intelligent wie ein Mensch. Militärische Drohnen der letzten Generation. Jemand möchte Amine tot sehen.

Das heißt auch, dass Sarah in Gefahr ist! Wenige Augenblicke später ist Diandros Gang unterwegs – zwei Teams. Eines geführt von Diandro eines von Maria. Heute ist keine Zeit für Samthandschuhe. Sie haben die vollautomatischen Waffen mitgenommen.

FÜNF

Der Raucher erreicht Vinitas Büro. Er reißt die Tür auf. Findet sie hinter ihrem Schreibtisch. Sie lächelt und sagt nur wenige Worte: „Sie sind beide tot, Leonard. Und nun stirbst auch du!“.

In ihrer Hand hält seine eine kleine, sehr elegante Pistole. Der Lauf zielt auf den Bauch des Rauchers. Wie häßlich sind doch diese kleinkalibrigen Geschoße, sie nach dem Eindringen in den Körper des Opfers zu taumeln beginnen und eine Schneise in die inneren Organe reißen.

Welch schmerzhafter Tod. Sie drückt ohne weiteres Zögern ab. Einmal, zweimal, dreimal. Zu oft.

SECHS

Die Drohnen sind nun bedenklich nahe. Als ich entdecke, dass sie bewaffnet sind wage ich nicht mehr mich zu bewegen. Ich schaue mir genau ihre Sensoren an. Optisch. Restlichtverstärker. Keine Infrarotsensoren. Der Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter. Ich habe vielleicht noch ein Ass im Ärmel. Mit langsamen Bewegungen löse ich meinen Haarschopf auf. Mein Haar fällt nun in prachtvollen Kaskaden über meinen Rücken. Wenn ich schon sterben muss dann wenigstens in Schönheit.

SIEBEN

Diese Selbstsicherheit, diese Energie mit der sich Sarah bewegt. Ihre Ausstrahlung ist einzigartig. Sarah ist auf dem Weg nach Hause. Sie öffnet die Tür zu ihrer Wohnung als sie hinter sich eine Bewegung erahnt. Wenige Sekunden später spürt sie stählerne Krallen an ihrem Hals. Ein zorniges und sehr zufriedenes Fauchen. Die Kreatur steht direkt vor ihr. Sie kann ihren Atem spüren. Wie ist noch das Wesen der Katzen? Sie spielen gerne noch mit ihrer Beute bevor sie sie töten.

Codename Amsterdam

Ein Meetingraum in einem modernen Büroturm. Sehr sachlich eingerichtet. Ein zu großer Konferenztisch. Darum gruppiert ein dutzend unbequeme aber sehr elegante Sessel. Die Wände sind reinweiß und kahl. Indirektes kaltes Licht sorgt für eine sterile Athmosphäre. Eine Seite des Raums bildet eine Glasfront die den Blick auf die Stadt freigibt. Die Stadt hat sich größtenteils zur Ruhe begeben. Es ist weit nach Mitternacht.

Zwei der Sessel im Raum sind besetzt.

Vor einer Person steht ein Aschenbecher, wenige Zigarettenstummel liegen darin. Daneben ein teures Feuerzeug und eine halb aufgebrauchte Packung Zigaretten.

Der Raucher sitzt kerzengerade auf seinem Sessel. Die Hände in einander verschränkt vor ihm auf dem Tisch.

Sein Anzug ist destillierter Formalismus. Schwarz. Keine Nadelstreifen. Dazu ein weißes Hemd mit Haifischkragen, eine graue Krawatte – gebunden im Windsorknoten.

Sein Blick ist hellwach, sein Gesicht unbewegt von Emotionen. Sein Ausdruck ist unmöglich zu deuten.

Ihm gegenüber sitzt eine Frau. Ebenso formal angezogen. Schwarzes Business-Kostum. Flache Schuhe. Ihre langen schwarzen Haarze sind zu einem Haarknoten gebunden.

Ihr Alter ist schwer zu schätzen. In ihrem Gesicht vermischen sich europäische und asiatische Einflüße. In ihrer hellbraunen Haut sind keine Falten zu sehen. Doch ihre schwarzen Augen sind alt – aber ebenso hellwach wie die des Rauchers. Auch ihre Hände ruhen auf dem Konferenztisch.

Lange Zeit fällt kein Wort. Dann eröffnet die Frau das Gespräch.

Leonard – ich habe die Leitung des Projekts Amsterdam übertragen bekommen. Ich habe mir die Sicherheitsprotokolle des Entwicklungszentrums angesehen – und Erstaunliches gefunden. Du trägst die Verantwortung für die mangelhafte Absicherung des KI-Labors und somit für den erfolgreichen Einbruch.

Seine Antwort ist knapp und trocken:

Wir haben die Situation unter Kontrolle Vinita. Nur das zählt. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Projektleitung.

Nur kurz flackert ein Ausdruck von Zorn durch ihre Augen. Dann hat sie sich wieder im Griff. Das Lächeln das nun erscheint ist jedoch weitaus furchteinflößender.

Du wirst nicht ewig deine schützende Hand über am1n3 und Sarah halten können Leonard.

Ein sehr aufmerksamer Beobachter hätte den kurzen Augenblick wahrgenommen in dem der Atem des Rauchers stockt.

Lass das nur meine Sorge sein Vinita. Auch deine Macht ist beschränkt.

Damit ist die Gespräch beendet. Weitere Worte wären nur Zeitverschwendung.

Er bleibt allein im Raum zurück. Der Rauch seiner Zigarette kräuselt sich durch die Luft. Nach einem kurzen Hustenanfall dämpft er sie aus und er verlässt ebenfalls den Raum.