PROLOG
audio channel: Jericho Rose – Silence Before The Storm
Die markante Stimme von Lorna Jericho a.k.a. Jericho Rose jagt mir ein Frösteln über den Rücken. Habt ihr schon einmal ihren Namen in die Suchmaschine eurer Wahl eingetippt? Wenn nein holt das doch bitte nach.
Nur wird Lorna Jericho nicht wie ihre Namensschwester von den Toten auferstehen. Dafür wurde mit Nachdruck gesorgt. Die Mächtigen in diesem Spiel haben ihre Fäden geschickt und mit Nachdruck gezogen. Glücklicherweise haben wir uns in diesem Netz noch nicht verfangen.
Mein Appartement habe ich zwar aufgeben und fluchtartig müssen – aber hey – ich wollte doch ohnehin umziehen. Und es gibt definitiv schlimmere Aussichten als ein paar Tage als Gast von Lilian in ihrer Wohnung zu verbringen (danke Lilian).
Aber eins nach dem anderen – ich erzähle die Geschichte am besten vom Anfang an bis zum bitteren Ende, analytisch, distanziert. Denn im Augenblick fühle ich eine innere Kälte, angetrieben von einer unbändigen Wut. Vielleicht bringt mich das Erzählen ja dazu ein wenig aufzutauen…
EINS
Vor ein paar Tagen – wie so oft verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag im Cosplay-Café.
Rosi ist sichtbar verändert. Ihre alten, fast verbrauchten Servos sind offensichtlich ausgetauscht worden. Und hier und da kann man erahnen, dass unter ihrer metallenen Köperhülle brandneue militärische Technologie eingebaut wurde. Noch dazu verbringt sie viel Zeit mit „Angel“ – einem Freund aus vergangenen Tagen. Was sie wohl vorhat?
Und auch Denver selbst hat sich verändert, ein grauer Schleier hat sich über die Stadt gelegt. Mehr Gewalt, mehr Kriminalität und auch der Rassismus gegenüber Hybriden hat deutlich zugenommen. Ja liebe Miezen aus meiner Runner-Familie – passt auf euch auf!
Die angenehm ruhige Stimmung wird unterbrochen durch einen Anruf von Dorothy (Musikbiz? 2m groß? Afro? Alles klar?). Einer ihrer Klienten vermisst sein Lieblings-Sternchen.
Wir sind interessiert und treffen Dorothy und Peter Warren in einem Karaoke-Raum im Cosplay. Dorothy bekommt von mir eine herzliche Umarmung zur Begrüßung und fällt mit ihren Augen in meinen prall gefüllten Ausschnitt. Amine ist heute sehr weiblich, sehr kurvig, gut drauf und steckt in einer spürbar zu kleinen Biker-Jacke.
Peter – auch von afrikanischer Abstammung – macht einen sehr entspannten Eindruck in seinem braunen Anzug. Rauschebart und dunkle Sonnenbrille inklusive.
Seine Quizfragen zum Musikbusiness in Denver können wir gerade noch so beantworten, dennoch sind wir mehr als kompetent für seinen Auftrag. Und groß genug ist die Runde ohnehin. Lilian, Adora, Bro-Se (sorry Brad/Jose) und Julia sind bei diesem Run dabei. Obwohl das wieder einmal mehr Detektivarbeit sein wird. Den Lorna Jericho von der Band Jericho Rose ist verschwunden – werden wir von Peter gebrieft. TAP offline seit 48 Stunden.
Lorna ist nach monatelanger Pause wieder zurück im Geschäft gewesen. Diese Zeit hat sie in einer hoch spezialisierten Klinik verbracht, die ihr geholfen hat die Abhängigkeit von einer stark bewusstseinsverändernden Droge loszuwerden. Nur war diese Droge keine Substanz sondern ein Stück Software für den TAP. Sie dreht die Wahrnehmung hoch, du lebst damit am Limit, bist kreativ, empfindsam, stark. Mit einem Wort ein Teufelszeug (wo krieg ich das her?).
Lorna hat auch die Zusammenarbeit mit ihrem Partner Johnny Dark beendet. Peter erwähnt auch noch einen Undercover-Journalisten „Scorpio Sage“ mit dem Lorna in Kontakt gewesen ist. Scorpio ist recht bekannt in Denver. Sein Blog „Voice for the People“ und seine viralen Nachrichten, die die meisten Werbefilter durchbrechen sind sein Markenzeichen.
Wir bekommen von Peter auch alle persönlichen Daten von Lorna – Kontakte, Kalendereinträge, Finanzdaten und Zugangsdaten.
ZWEI
Zuerst wollen wir Lornas Wohnung untersuchen. Sie liegt in einem nicht sonderlich gesicherten Wohnhaus in einer Mittelklasse-Gegend und besteht im Wesentlichen aus einem einzigen Raum. In einer Ecke eine Soundanlage in einer anderen lehnt eine Gitarre.
Julia stülpt sich einen von Lorna getragen Slip über ihre freche Katzennase und fragt sich ob Lorna wohl Sex hatte. Was ist denn mit dir los Mädel? Rundherum konsternierte Gesichter…
In der Wohnung gibt es wenig Hinweise zum Verschwinden von Lorna. So wie es hier aussieht könnte sie jede Minute wieder nach Hause kommen. Der Kleiderschrank spärlich gefüllt aber ordentlich, einige Vorräte im Kühlschrank und auf den Spiegel im Badezimmer ist ein Herz aufgemalt.
Das Computersystem Lornas wird per Dialog mit einem Katzenavatar gesteuert. Das finde ich zwar niedlich aber ineffizient. Ein Backup von Lornas schnell angefertigt. Einige Dateien sind verschlüsselt. Dazu gibt es jede Menge Verweise auf externe Speicherplätze im Allnet. Und auf eine Person namens „Johanna“ für die es auch einen Kalendereintrag gibt.
Ein erster Kontaktversuch durch Lilian zu „Johanna“ scheitert. Die Dame ist offensichtlich schnell misstrauisch geworden. Erst als Lilian ein Selfie an „Johanna“ schickt und unsere Sorge wegen Lorna anspricht lässt sie sich zu einem Treffen im Lokal „Da Vinci“ überreden.
Und da Lilian und ich gerne gemeinsame Sache machen bin ich natürlich beim Treffen dabei. Diskret im Hintergrund an der Bar, Lilians Tisch im Blick. Lilian bleibt auch nicht lange allein. Einer der Herren, der gerade noch bei mir an der Bar stand gesellt sich zu ihr und stellt sich als „Scorpio Sage“ vor – ganz große Überraschung! Scorpio ist sichtlich angetan von Lilian (kein Wunder…) und ihre Pheromone tun das ihre um ihn in eine gesprächige Stimmung zu bringen.
Das Gespräch bringt dann auch interessantes zu Tage. Natürlich hat er sich mit Lorna getroffen. Und er ist über ihr Verschwinden danach sehr besorgt. Sorpio ist offensichtlich auch ein großer Verschwörungstheoretiker. „Die Regierung manipuliert alle und Lorna wollte es aufdecken!“. Klar. Er ist auch einer Offshore-Firma auf der Spur, die die notwendige Technologie dafür liefert. Näheres will er in einigen Tagen herausgefunden haben. Nach ihrem Treffen soll Lorna mit dem Taxi nach Hause gefahren sein. Seitdem hat er nichts mehr von ihr gehört.
Und das war auch schon alles was wir von Scorpio in Erfahrung bringen können. Lilian bedankt und verabschiedet sich. Wir haben eine neue Spur!
DREI
In Lornas Finanzdaten finden wir auch die Abbuchung für die erwähnte Taxifahrt. Nur passt die Höhe des Entgelts nicht mit der Distanz vom „Da Vinci“ zu ihrer Wohnung zusammen. Wo ist sie also wirklich hingefahren? Kein Problem das herauszufinden – blitzschnell hacke ich mich … nein leider nicht. Die Taxifirma ist zu gut gesichert oder ich bin noch zu sehr abgelenkt von Lilian…
Also probieren wir es mit dem direkteren Weg – „Social Engineering“ heißt das Zauberwort. Lilians unter Tränen vorgebrachte Geschichte zu unserer Suche nach Lorna löst in der Taxizentrale Mitgefühl aus und bringt uns die gewünschte Information. Ein Starbucks in der Nähe von Johnny Darks Anwesen war der Endpunkt der Fahrt.
Wir tauschen uns kurz mit dem Rest der Runde aus bevor wir uns auf den Weg ins Starbucks machen. Adora hat inzwischen im Lokal „Butcher’s“ einen Kumpel von Johnny Dark kennengelernt – Luis. Auch Luis macht sich offensichtlich Sorgen um Lorna. Er erklärt sich bereit das Sicherheitssystem in Johnnys Anwesen zu überprüfen. Vielleicht findet sich ja eine Spur von ihr. Vielleicht hat er die Daten schon morgen.
Im Starbucks kann ich endlich zeigen was ich kann. Überall Kameras und ein erstklassig gesichertes Überwachungssystem. OK, mal sehen ob ich mich in das TAP des Managers des Ladens hacken kann. Bingo! Ich habe alle Zugangsdaten. Ich kann gerade noch der Versuchung widerstehen mir ein Kundenkonto mit unbegrenzt Gratis-Kaffees anzulegen. Viel wichtiger sind nun die Videostreams der Kameras. Lorna war hier! Und nicht alleine. Sie hat sich mit Johnny Dark getroffen, mit am Tisch waren auch zwei breit gebaute Mexikaner.
Das Treffen hat in Summe nur eine halbe Stunde gedauert. Ich sehe Bilder eines intensiven Gesprächs, angespannte Mienen, aber keine bedrohliche Körpersprache. Leider gibt es keine passende Audio-Aufzeichnung. Kurze Zeit nach dem Ende des Treffens hat Lorna dann den Starbucks und damit auch das Blickfeld der Überwachungskameras verlassen.
Lilians Drohne kann danke eines Lippenlesemoduls (cool) den Großteil des Gesprächs rekonstruieren. Es drehte sich um ein neues gemeinsames Projekt, intensive Verhandlungen, kein böses Wort aber keine Übereinkunft.
Die nächste Station in unserer Schnitzeljagd ist also das Anwesen von Johnny Dark. Die heißen Outfits in die Lilian und ich uns für den Besuch werfen haben die beabsichtigte Wirkung und schon bald räkeln wir uns neben Johnny im Wellnessbereich seines Hauses. Die gute Stimmung und das Flirten nehmen jedoch ein jähes Ende als Lilian Johnny offen auf das Gespräch im Starbucks anspricht und nach dem Verbleib von Lorna fragt. Die Bilder aus der Überwachungskamera verleihen Lilians Frage dann entsprechenden Nachdruck.
Wir erfahren von Johnny jedoch exakt gar nichts und werden von zwei Mexikanern sanft aber bestimmt vor die Tür gesetzt – wie unerwartet. Ich hatte mit mehr Ärger gerechnet und hatte vorsorglich das Sicherheitssystem des Hauses deaktiviert. Aber gut, lieber keine Gewalt.
VIER
Damit ist für diesen Abend aber auch die Luft aus der Sache. Und auch eine schnuckelige (kurvige) Amine braucht einmal ihren Schönheitsschlaf und der Einfachheit halber übernachte ich bei Lilian, dann brauchen wir uns morgen nicht extra treffen (oder so :-).
Der nächste Tag beginnt mit einer Nachricht von Luis – er hat im Sicherheitssystem von Johnnys Anwesen keine Spur von Lorna gefunden.
Ich versuche noch auf die schnelle Informationen zu den Mexikanern zu finden lagere das dann aber für 500 Credits an Raffaella aus. Gut – ihr Recherche-Ergebnis ist zwar nicht sehr erhellend aber immerhin gut zu wissen dass der Gr0ßteil der Mexikaner im „Butcher’s“ für Johnny Dark arbeiten. Und das schon recht lange, sie sind eigentlich ein recht harmloser Haufen.
Adora hat inzwischen die Adresse eines weiteren Musikers herausgefunden, der mit Lorna zusammen gearbeitet hat – Karsten. Adora klopft mit Lilian und mir im Schlepptau an seine Wohnungstür. Karsten ist zu gleichen Teilen verschlafen und unergiebig als Informationsquelle. Auch er hat Lorna schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Er hat jedoch bei ihr eine gewisse Anspannung wahrgenommen. Zumindest verspricht er mir eine Dosis von der Software-Droge zu besorgen, nach der Lorna süchtig war.
Damit sind wir am Ende unserer letzten Spur. Ernüchterung macht sich bei mir breit. Wir brauchen eine Pause von dieser Schnitzeljagd. Ich bin mir sicher, dass wir in Lornas Daten weitere Hinweise auf ihren Verbleib finden werden. Also mache ich mich an die Entschlüsselung…
(to be continued)