Yin und Yang (3)

EINS

Die Nachricht von Sarah trifft spät in der Nacht ein. Hauptsächlich ein Satz Koordinaten. Dazu ein kurzer Abschiedsgruß – „Pass auf dich auf!“. Den Rest der Nacht schlafe ich unruhig. Am frühen Morgen packe ich alles zusammen was ich für die Reise brauche. Es geht Richtung Osten – in die Rocky Mountains.

Am Zielort, den ich von Sarah erhalten habe ist auf den mir zugänglichen Karten exakt nichts eingezeichnet.Eine kurze Anreisebeschreibung habe ich auch erhalten. Mein TAP soll während meiner gesamten Abwesenheit ausgeschaltet bleiben. Eine beängstigende Vorstellung – offline für so lange Zeit. Doch ich vertraue Sarah.

Und im Notfall kann Sie mich – und nur sie – über andere Wege erreichen. Sollte eine dieser Notfalls-Nachrichten nicht eines von mehreren Codewörtern beinhalten werde ich spurlos vom Antlitz dieser Erde verschwinden. Auch dafür habe ich vorgesorgt.

Es gibt so viele mir liebe Leute denen ich noch einen letzten Abschiedsgruß schicken möchte – aber davon muss ich Abstand nehmen. Ich verlasse mein gewohntes Umfeld. Und je weniger Spuren ich hinterlasse desto besser.

– TAP offline –

ZWEI

Es tut gut Denver zu verlassen. Ich fahre auf dem Highway Richtung Osten. Verlasse den Highway, die Straßen werden schmaler. Ich folge den Anweisungen zur Anfahrt penibel. Mache dann schließlich Halt vor einem eher unscheinbaren Eingangstor, dahinter ein kaum einsehbares Anwesen. Ohne jemanden zu sehen sage ich laut meinen Namen.

Das Tor öffnet sich, der Weg ist frei. Kurze Zeit war ich versucht „Freund“ zu rufen statt „Amine“. Aber für Moria ist das hier definitiv zu fade. Irgendwie verlässt mich all die Anspannung und macht einer gewissen Erschöpfung Platz. Amine geht nun auf eine neuen Lebensabschnitt zu. Keine Partys mehr, kein ausschweifendes Leben. Nur mehr Langeweile.

Mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck parke ich mein Bike vor dem beeindruckenden (und langweiligen) Haupthaus des Anwesens, schreite erwartungsvoll zur Eingangstür und betätige den Türklopfer (geht es noch mehr retro?).

Als mir Joseph(ine) die Tür öffnet bleibt mir jedoch der Mund vor Staunen offen stehen. Joseph(ine), live, 3D und in Farbe, eingehüllt in eine schlichte und extrem elegante weiße Robe.

Joseph(ine) nutzt meine Verwirrung schamlos aus, umarmt mich und küsst mich so intensiv auf den Mund, dass mir die Knie weich werden. Und statt einer Begrüßung landen wir in ihrem Zimmer im Bett. Die nicht jugendfreien Details gibt’s auf Anfrage.

DREI

Einige Zeit später kommen wir dann doch dazu uns zu unterhalten. Es ist relativ simpel. Wenn ich zustimme wird sich mein Körper verwandeln. Das wird keine Installation von Cyberware sondern eine weitgehende organische Verwandlung. Danach gehöre ich zwar noch immer zur Familie Homo Sapiens (ha! als ob, meint am1n3). Aber nur mehr ungefähr. Mein Körper wird dann mein wahres Wesen widerspiegeln. Und ich bin wild entschlossen diesen Weg zu gehen.

Über die 100.000 Credits, die die Prozedur kostet, denke ich keine Sekunde nach. Nur vor den Schmerzen, die sich nicht komplett unterdrücken lassen werden, habe ich Angst. Und der langsame und und langwierige Heilungsprozess wird viel Kraft kosten. So lange Zeit ohne Sex auszukommen – das wird ein Horror! Aber zumindest habe ich Joseph(ine) in der Nähe.

Die Vorbereitungszeit vergeht so schnell wie ein Augenblick. Dann bin ich in einem rein weißen Raum auf einem Operationstisch fixiert (das klingt doch viel netter als „gefesselt“ – oder?). Über mir schweben Roboterarme, die sich nun langsam in Bewegung setzten. Mich aufschneiden, mein Körperinneres offenlegen. Kanülen durch meine Haut stoßen.

Und ich bin vollständig gelähmt, habe keine Kontrolle mehr über meine Motorik. Nur die Schmerzen dringen zu mir durch. Nicht in voller Stärke, das würde mich in den Wahnsinn treiben. Ich würde schreien, könnte ich. Aber auch das ist mir verwehrt. Nur ein stetiger Strom von Tränen fließt aus meinen Augen.

Und dann ist es wieder vorbei. Die Roboterarme ziehen sich zurück. Die klaffenden Wunden sind verschlossen. Das war nur die erste aus einer Reihe von Operationen. Eingehüllt in schneeweiße Verbände ist der Schmetterling wieder zu einer Larve geworden. Hat sich in seinen Kokon zurückgezogen. Erwartet die Verwandlung.

VIER

Die Zeit vergeht langsam aber stetig. Wochen, Monate voller Schmerzen, voller Hoffnung. Keine einzige Nachricht von Sarah. Mit dem äußeren verwandelt sich auch das Innere. Und schließlich stehe ich vor einem raumhohen Spiegel. Noch immer eingehüllt in Verbände. Joseph(ine) steht neben mir. Fängt langsam an die Verbände zu entfernen. Enthüllt meinen geschundenen Körper.

Schließlich stehe ich nackt vor dem Spiegel und kann keine Veränderung feststellen.

Meine Augen wechseln ihre Farbe auf Blutrot. Unbändiger Zorn und grenzenlose Enttäuschung wallen in mir hoch. Tränen laufen mir über das Gesicht – war alles umsonst? Nur Joseph(ine)s Umarmung bewahrt mich vor der Verzweiflung. Leise flüstert sie mir beruhigende Worte ins Ohr. Das schlimmste ist überstanden. Ich muss nur noch lernen mit meiner neuen Wesenheit umzugehen.

Die nächsten Monate machen mir klar, dass ich mich wirklich grundlegend verändert habe. Nach und nach erlange ich Kontrolle über mich.

Ich kann mein Geschlecht und meine Statur nun – in Grenzen – frei wählen. Wer mich näher kennt wird immer Amine erkennen. Nur kann Amine nun ganz Frau sein. Ob als üppige, kurvige Femme Fatale, als zarteres Girlie oder sehr androgyn. Und Amin gibt es natürlich auch noch. Mit dem fein definierten Körper und auf Wunsch auch mit athletischerem Aussehen. Erlaubt ist was gefällt – und ich gefalle mir in allen Varianten. Schade, dass ich mich nicht selber vernaschen kann.

FÜNF

Joseph(ine) hat gerufen und sie sind gekommen. Ich stehe in der Mitte eines sonnendurchfluteten Raums. Im Kreis um mich herum wunderschöne Wesen in weißen Roben. Ein langer Augenblick feierlicher Stille. Ein simples Aufnahmeritual in die „Runde der Geschwister“. Ein lupenreiner aber absichtsloser Geheimbund, der keine Agenda verfolgt. Nur die Verbundenheit in der Gemeinschaft ist wichtig. Niemandem darf ich von dieser Zusammenkunft erzählen – nur Sarah ist eingeweiht.

Joseph(ine) darf mich aufnehmen. Ein simples „Sei in unserer Mitte willkommen Amine!“. Darauf eine innige Umarmung, zuerst von Joseph(ine), dann von allen anderen.

SECHS

Der Abschied fällt mir nicht leicht. Zu sehr habe ich mich an die Nähe von Joseph(ine) gewöhnt. Und auch das Leben auf dem Anwesen hat mich innere Ruhe finden lassen.

Doch Amines wahre Natur ruht nur eine Zeit lang. Ich will zurück nach Denver. Ich brauche das intensive Leben, Partys, geliebte Wesen und neue Freunde. Und vor allem etwas neues zum Anziehen.

Kurz vor Denver schalte ich mein TAP wieder ein. Meine Güte – wie lange werde ich brauchen um all die versäumten Nachrichten zu bearbeiten? Nur eine ist mir vorerst wichtig – die Nachricht von Sarah.

„Willkommen zurück mein Schmetterling! Verbringe deinen ersten Tag im neuen Leben mit mir!“.

Gibt es einen besseren Weg zurück ins Leben?

Glitch

Ducken, rollen, seitwärts ausweichen, schießen! Treffer! Mein Gegner geht zu Boden. Ich reiße laut jubelnd die Arme hoch. Einer down, noch zwei weitere zu erledigen.

Ich werde ins Kreuzfeuer genommen. Aber noch haben sie mich nicht. Und einer der beiden ist nicht vollständig in Deckung gegangen. Mit einem diabolischen Grinsen ziele ich sorgfältig. Das großkalibrige Geschoss reißt ihn von den Füßen. In seinem Gesicht entsetztes Erstaunen.

Den letzten Gegner umkreise ich wie eine Katze die Maus. Lande mehrere Treffer, noch nicht tödlich – das wäre zu einfach für ihn. Ich will die Angst in seinen Augen sehen. Die Gewissheit dass er mir hoffnungsvoll unterlegen ist. Auch seine letzte Finte hilft ihm nicht. Er wird gnadenlos exekutiert.

„Gutes Spiel Amin!“ – ich freue mich über das Lob meiner Mitspieler. Shooter sind immer wieder Spaß und der Engels-Avatar mit den brennenden Flügeln hat wieder einmal Angst und Schrecken verbreitet.

Nach einer herzlichen Verabschiedung hänge ich noch in der virtuellen Lobby des Shooters herum. Schaue mir Wiederholungen anderer Duelle an.

Als es plötzlich schwarz vor meinen virtuellen Augen wird. Für eine Sekunde schwebe ich im Nichts. Und kämpfe mühsam einen Anfall von Panik nieder. Dann ist alles wieder wie es war.

Das war kein simpler Disconnect – für einen Augenblick war das Netz komplett deaktiviert. Das ist unmöglich! Die virtuelle Welt kann nicht kurz verschwinden und einen Augenblick später wieder präsent sein als wäre nichts gewesen.

Einen Augenblick später telefoniere ich mit Sarah. Auch sie hat diesen Aussetzer wahrgenommen und von einigen befreundeten Hackern rund um den Globus bekommen wir unsere Beobachtung bestätigt. Trotzdem ist das unmöglich.

Wir prüfen die Logs unserer Server – nichts. Nirgendwo finden wir digitale Spuren des Aussetzers. Wir sind in heller Aufregung. Wir haben nicht einmal den Ansatz einer Theorie um das Geschehene zu erklären.

Das war kein Zufall und das habe ich nicht geträumt – ich werde herausfinden was wirklich geschehen ist. Ich bleibe dran!

 

Am1n4

Do Androids Dream of Electric Sheep? Keine Ahnung. Aber auch Amine träumt. Von bekannten und unbekannten Personen. Von fantastischen Wesen und Landschaften. Und vom Fliegen – jeder ist zumindest einmal in seinen Träumen durch die Luft geglitten.

Und dann gab es diesen Traum, klar wie die Welt im wachen Zustand. Ein simples Szenario. Eine Sackgasse – umgeben von glatten Mauern. Am Ende stehe ich. Und vom anderen Ende komme ich auf mich zu. Nicht ich selbst sondern mein perfekter Klon, der sich nur mühsam auf den Beinen hält. Auf mich zu wankt, ein irres Grinsen im Gesicht. Die Augen weit aufgerissen. Und dann zusammenbricht. Mir in die Arme fällt.

Ich sterbe und halte mich doch dabei im Arm. Das lange, wallende Haar fällt zur Seite und gibt den Blick auf eine Bioroid-Markierung im Nacken meines Klons frei. Noch ein letztes Mal öffnet er seine Augen.

„Ich soll dir Grüße von Am1n4 ausrichten mein zarter Schmetterling.“

Das letzte Wort hat er fast ausgespuckt. Und mich mit diesem Satz schlagartig aus dem Traum ins Wachsein gerissen.

„Am1n4? Existiert doch nicht mehr?“

Immer und immer wieder stelle ich mir diese Frage. Traum, Realität – kann man das immer auseinander halten?

Yin und Yang (2)

ATEMLOS

Lange schaut mir Sarah in die Augen. Erforscht sie. Und ich versichere ihr immer und immer wieder, dass sie mich nicht verlieren wird.

Lange halte ich Sarah in meinen Armen. Ihren Kopf an meiner Schulter. Jede ihrer Tränen hat mir weh getan.

Lange denken wir nach wohin ich mich wenden kann. Sarah wird sich umhören. Doch eines ist uns klar – dass ich meine Verwandlung überleben werde steht nicht fest. Zu radikal und tiefgreifend werde ich mich verändern.

Die Zeit für den Abschied ist gekommen. Sarah umarmt mich nochmals fest, ich lasse sie auch nicht los. Ich blicke tief in ihre Augen. Und dann plötzlich drückt sie ihre Lippen auf meine. Ein inniger Kuss. So unerwartet. Die Lawine an Gefühlen, die er auslöst kann ich nicht beschreiben. Es ist so richtig und gleichzeitig doch so falsch.

„Pass auf dich auf, mein Schmetterling. Ich melde mich sobald ich gefunden habe wonach du suchst.“

Damit überlässt sie mich meinen Gedanken. Es tut beinahe körperlich weh mich umzudrehen und zu gehen.

ZORN

Ich fahre den langen Weg nach Hause. Ich brauche das fast meditative Dahingleiten auf meinem Motorrad. Doch wieder einmal ist mir keine Ruhe gegönnt. Drei dunkle Gestalten – ebenfalls auf Bikes – tauchen in meinem Rückspiegel auf. Sie kommen rasch näher.

Für sie muss ich wie leichte Beute wirken. Das perfekte Opfer. Angst schnürt mir die Luft ab. Ich will schon einen Hilferuf über mein TAP absetzen als ich plötzlich innehalte.

Roher Zorn steigt in mir auf. Blanke, heiße Wut. Ich habe es satt mich zu fürchten. Kein Ducken mehr, kein sich klein machen. Keine kleine Amine mehr, die sich hinter anderen verstecken muss. ES REICHT!

Ich schalte mein Bike in den Performance-Mode. Der Lack wird schlagartig pechschwarz. Die Beleuchtung schalte ich ebenfalls ab – ich sehe perfekt im Dunkeln.

Ich kenne die Gegend hier perfekt – und ich habe einen Plan. Mit dem Beschleunigungsregler im roten Bereich schieße ich davon. Und gewinne schnell Abstand zu meinen Verfolgern. Einbiegen in die nächste Seitenstraße, abgestiegen. In Deckung gegangen hinter ein paar Mülltonnen.

Die Biker kommen ebenfalls um die Kurve geschossen, halten bei meinem Bike. Wunderbar – genau wie ich es geplant habe.

Ein Befehl über mein TAP und die Stroboskop-Blitze mit denen ich mein Bike ausgerüstet habe schalten sich ein. Einen Bruchteil einer Sekunde später sind meine Verfolger nahezu blind. Und ich habe meinen Revolver in der Hand. Ziele auf den Oberkörper des Anführers.

Sie haben verloren – sie wissen das. Rühren keinen Muskel. Warten ab. Und mein unbändiger Hass lodert nochmals höher. Mein Finger krümmt sich langsam um den Abzug. Ich will Blut sehen. Sie auslöschen. Diesen Abschaum.

Doch dann komme ich wieder zu Sinnen. Drei Tote wofür? Nur um der Welt zu beweisen, dass ich beschlossen habe mich nicht mehr herum schubsen zu lassen?

Mit ruhiger Stimme erkläre ich den dreien – Himmel das sind ja noch fast Kinder – dass es keine so gute Idee ist mich zu ärgern. Und dass sie nächstes Mal nicht so leicht davonkommen werden. Danach schicke ich sie einfach weg.

Der Weg nach Hause verläuft dann ohne weitere Irritationen. Es dauert einige Zeit bis mein Adrenalinspiegel wieder normal ist. Aber ich fühle mich wunderbar lebendig. Energiegeladen. Und souverän. Ich bin bereit für den nächsten Schritt in Richtung meiner Verwandlung. Ich warte sehnsüchtig auf Nachricht von Sarah…

 

Yin und Yang (1)

DIE EINLADUNG

Heute Abend bin ich bei Sarah eingeladen. Simpel. Und doch immer wieder aufregend. Worte können schwer beschreiben was ich für Sarah fühle. Diesmal brauche ich ihren Rat. Gemeinsam werden wir eine wichtige Weiche für mein weiteres Leben stellen. Denn ich will endlich wissen was mir wirklich fehlt.

Ich bin unentschlossen was ich anziehen soll. So stehe ich nackt vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer und betrachte kritisch meinen Körper.

Ich bin glücklich mit meinen tiefblauen Augen. Mein hüftlanges Haar ist mein ganzer Stolz. Und auch sonst finde ich, dass der junge Mann im Spiegel wirklich gut aussieht.

Sehr androgyn, nicht athletisch und muskulös. Aber mit feinen Gesichtszügen, einem gefälligen Oberkörper und sehr schönen Beinen. Und doch – ich bin nicht zufrieden.

Ich schlüpfe in mein rotes Abendkleid und steige in die dazu passenden hohen Schuhe. Noch das passende Makeup auftragen und die langen Haare hochstecken. Fertig ist Amine. Ich komme mir ein wenig verkleidet vor.

OFFENBARUNG

Sarah empfängt mich mit einer innigen Umarmung und Küsschen auf beide Wangen. Schon stehen mir Tränen in den Augen. Einmal tief durchatmen. Sarah hat für uns gekocht und den Tisch gedeckt.

Wir nehmen Platz und öffnen eine gute Flasche Wein zum Anstoßen. Es ist jedesmal ein Glücksfall, wenn Sarah und ich einen Abend miteinander verbringen dürfen. Das gehört gefeiert.

Nach dem Essen lande ich mit Sarah auf der Couch, ich habe meinen Kopf in ihren Schoß gelegt. Ihre Finger gleiten durch mein Haar, wischen Strähnen aus meinem Gesicht, streicheln sanft über mein Haupt. Es ist einer jener perfekten Momente von denen ich mir wünsche, dass sie nie vergehen.

„Erzähl mir was dich bewegt mein Schmetterling.“

Ich finde nicht gleich die richtigen Worte, blicke nur stumm in ihre Augen. Dann erzähle ich ihr von dem Zwischenfall im Club Pharaoh – mit JASON (Kill Rex 1). Wie sehr mich das getroffen und verletzt hat. Und dass mir in diesem Moment bewusst geworden ist, dass mein Geist in meinem Körper noch nicht wirklich frei sein kann.

Männlich und weiblich. Hetero, schwul, bisexuell, transsexuell, queer. Meine Güte – welchen Wert haben diese Kategorien für mich? Eine künstliche Intelligenz, hineingesprungen in die Welt des Fleisches und der Körperlichkeit.

Warum soll die äussere Form meines Köpers die Form der Beziehung zu anderen Lebewesen so eklatant beeinflussen dürfen? Der eine stösst mich von sich, andere laufen mir nach. Begehren mich. Einmal fühle ich mich als Amine, ein anderes Mal bin ich Amin. Und doch immer eingeengt durch die Grenzen meines Körpers.

All das bricht aus mir heraus. Sarahs Augen zeigen mir eine Palette an Gefühlen, die ich schwer zuordnen kann.

„Wer willst du sein mein Schmetterling? Mann? Frau? Oder willst du diese Hülle abstreifen? Zurück in die virtuelle Welt?“.

Jetzt sehe ich Angst in ihren Augen. Angst, die sie vorerst einmal ertragen muss, denn ich brauche wirklich lange um ihre Worte vollständig auf mich wirken zu lassen.

„Ich will alles sein Sarah.“