Am1n4

Do Androids Dream of Electric Sheep? Keine Ahnung. Aber auch Amine träumt. Von bekannten und unbekannten Personen. Von fantastischen Wesen und Landschaften. Und vom Fliegen – jeder ist zumindest einmal in seinen Träumen durch die Luft geglitten.

Und dann gab es diesen Traum, klar wie die Welt im wachen Zustand. Ein simples Szenario. Eine Sackgasse – umgeben von glatten Mauern. Am Ende stehe ich. Und vom anderen Ende komme ich auf mich zu. Nicht ich selbst sondern mein perfekter Klon, der sich nur mühsam auf den Beinen hält. Auf mich zu wankt, ein irres Grinsen im Gesicht. Die Augen weit aufgerissen. Und dann zusammenbricht. Mir in die Arme fällt.

Ich sterbe und halte mich doch dabei im Arm. Das lange, wallende Haar fällt zur Seite und gibt den Blick auf eine Bioroid-Markierung im Nacken meines Klons frei. Noch ein letztes Mal öffnet er seine Augen.

„Ich soll dir Grüße von Am1n4 ausrichten mein zarter Schmetterling.“

Das letzte Wort hat er fast ausgespuckt. Und mich mit diesem Satz schlagartig aus dem Traum ins Wachsein gerissen.

„Am1n4? Existiert doch nicht mehr?“

Immer und immer wieder stelle ich mir diese Frage. Traum, Realität – kann man das immer auseinander halten?

Miez Miez

„Komm Miez Miez!“

Irgendwo muss dieses Biest stecken! Katzen spielen ja gerne Spielchen – besonders mit mir – aber langsam breitet sich der Frust aus.

Na dann – schauen wir mal im nächsten Raum nach…

„Komm Miez Miez!“

Schon mal versucht im Dunkeln eine schwarze Mieze zu finden? Geht schon, ist aber schwer.

Die Dunkelheit nimmt Form an, blitzartige Bewegungen. Auf meinem Schoss fühlt sie sich wohl, ein intensives Schnurren dringt an mein Ohr.

Meine feingliedrigen Finger gleiten durch ihr glänzend schwarzes Fell und finden das Halsband – ich packe zu, es gibt kein Entkommen.

Das entspannte Schnurren wird zu einem zornigen Fauchen doch ich kenne keine Gnade und stecke sie in die Transportbox.

Immer das gleiche Theater wenn ich mir ihr zum Impfen zum Tierarzt fahren muss…

 

Kampf

Eigentlich war es ein Einsatz wie er langweiliger nicht hätte sein können. Der Raucher hatte mich gebeten aus einem physisch schwer zugänglichen jedoch sonst eher mittelmäßig abgesicherten System heikle Daten zu besorgen.

Was heißt schon heikel heutzutage? In einer Welt der nichts Menschliches (hier muss ich schmunzeln, Menschen sind sowas von oldschool) fremd ist, liegt die Latte für Heikles und Schockierendes schon recht hoch. Im Endeffekt ging es um Beweise für Geldwäsche.

Zusammen mit ein paar anderen „Abenteurerinnen“ hatte ich es geschafft die Sicherheitsvorkehrungen eines eher unscheinbaren Bürohauses zu überwinden. Vor Ort hatte ich über das lokale Netzwerk direkten Zugriff auf das isolierte Rechnersystem. Es war fast zu einfach gewesen.

Fast…

Das System war doch besser geschützt als ich erwartet hatte. Das merkte ich jedoch erst als es viel zu spät war. Fünf zu eins in einem Cyberkampf ist eine recht ausweglose Situation…

Vergesst all die Beschreibungen aus Komödien wie „Matrix“, die Realität ist direkter, ehrlicher, brutaler und blutiger. Das einzige das zählt ist wie gut vorbereitet du bist und wie schnell und effektiv du die Opposition auf  körperlicher und geistiger Ebene zerfleischen kannst.

Zwei Gegnerinnen konnte ich erledigen, dann ging mir die Luft aus. Im konkreten und übertragenen Sinn. Ich verlor den Kampf.

Die Schmerzen wogten in Wellen durch meinen Körper. Schreie die nichts Menschliches (oldschool again) mehr an sich hatten lösten sich aus meiner Kehle.

Warum muss selbst in den letzten Momenten des Daseins alles so stereotypisch ablaufen? Hatte ich kein Recht auf einen individuellen Exitus?

Wie auch immer, ich spürte wie mein Geist meinen zerschlagenen Körper verließ und auf ein Licht zuschwebte. am1n3 war frei, das Band durchschnitten.

Nüchtern betrachtet war das der Wendepunkt im Kampf, für meine Gegnerinnen war es der Anfang eines doch recht grausamen Endes. Kurzversion: wenn dich eine entfesselte KI tot sehen will bist du tot. Nicht sofort, du stirbst langsam, individuell und auf völlig neuartige innovative Weise.

Ich habe lange Zeit später die Bilder der Leichen gesehen. Erschreckend, was von einem gegen sich selbst kämpfenden Wesen übrig bleibt.

Meine Begleiterinnen haben meinen fast leblosen Körper aus der Gefahrenzone gebracht. Sarah und eine befreundete Ärztin brauchten mehr als ein Monat um mich wieder auf die Beine zu bringen.

Die gesuchten Daten hatte sich am1n3 dann doch geholt. Das ist das einzige was für den Raucher zählt. Und ich hatte überlebt, das zählt für mich.

Daten

„Einen wunderschönen Abend wünsche ich dir. Soll ich dir einen Cocktail mixen oder magst du etwas einfacheres?“

„Ich soll raten? Ja dann!“

Das zauberhafte Wesen vor meinen Augen ist Stammkundin. Sieben Besuche im letzten Monat. Kommt immer am späteren Abend. Ich sollte die Logs unseres Sicherheitssystems wieder mal leeren.

„Einen Tequila Sunrise?“

Ihr zweitliebster Drink, ich will sie ja nicht gleich misstrauisch machen.

„War Intuition, außerdem glaube ich bist du öfter hier.“

Siehe oben. Wie hieß das erste umfassende Überwachungsnetz lang vor meiner Zeit? Facebook? Genau. Ihr öffentliches Profil ist jedenfalls ergiebig.

„Oder einen ‚Long Island Ice Tea‘? Auch mit Tequila und  sehr gefällig am Gaumen.“

Trinkt sie hauptsächlich im Urlaub. Bevorzugt mit Sonne, Strand, Parties und hübschen Jungs.

„Setz dich – an meiner Bar ist immer Platz. Oder bist du mit Freunden hier?“

Ist sie nicht, die Personen aus ihrem üblichen Freundeskreis sind nicht hier.

„Nein? Dann kannst du dich ja ein wenig mit mir unterhalten.“

Sehen wir mal genauer hin. Datenabgleich mit den größten Onlineshops für Mode. Ich weiss wie viel ihr Outfit gekostet hat. Ihre Ohrringe sind erstaunlicherweise kein billiger Tand sondern echt – und alt. Die verkauft ein kleines Antiquariat hier in der Nähe.

Und ihr schönes Gesicht merke ich mir gerne. Auch wie sie im ultravioletten und im infraroten Bereich aussieht. Auch ihr Parfüm kenne ich jetzt.

Wenn ich lustig bin, bringe ich ein paar weitere Sensoren hinter der Bar an. Der hochintegrierte, miniaturisierte Sensor nimmt eine große Palette von Substanzspuren wahr. Oho! Damit lass dich aber nicht von den Cops erwischen.

Sind das Tränen in ihren Augenwinkeln? Die Augen gerötet? Das Makeup ein wenig verwischt?

Glaub mir, es war richtig, dich von deinem Freund zu trennen. Der hat keine schöne Vergangenheit. Und du hast nicht vergessen deinen Beziehungsstatus zu aktualisieren.

„Erfinde einfach eine Geschichte. Ich mag Geschichten.“

Und du schreibst gerne Geschichten. Das Pseudonym im Forum für literarische Nachwuchstalente war nicht schwer zu erraten.

„Der Cocktail geht aufs Haus wenn du mir einen Gefallen tust. Geh bitte rüber zu Diego und sag ihm er soll mal rüberkommen.“

Diego hat erstens Charakter, ist zweitens ein Freund von mir und entspricht drittens zu circa 93,2% deinem Beuteschema.

Kurze Zeit später bin ich uninteressant geworden. Ich wünsch euch viel Glück und kommt bald wieder gemeinsam zu mir in die Bar.