Joseph(ine)

PROLOG

Es ist später Nachmittag, die Sonne steht nicht mehr im Zenit. Ihre kräftigen Strahlen wärmen die Luft. Es ist ein herrlicher Sommertag – im kleinen Kaffeehaus in dem ich mit Sarah an einem Tisch im Schatten sitze. Eine gelungene Mischung zwischen Alt und Neu, eine moderne, künstlerische Anmutung gepaart mit Relikten einer näheren und ferneren Vergangenheit schafft eine einzigartige Athmosphäre. Vertraut und beschützt und doch nicht zurückgezogen.

Ich genieße die Gesellschaft meiner geliebten Sarah. In ihrer Gegenwart kann ich einfach ich selbst sein. Ohne Masken. Ohne mich zu verstellen. Meine Beziehung zu Sarah kann ich schwer in Worte fassen. Mutter, Schwester, Vertraute, Freundin, Mentorin – alle diese Bezeichnungen passen und passen nicht. Sarah ist mein Alpha und mein Omega.

In ihre wundervollen Augen hat sich heute ein schelmisches Blitzen gestohlen. Deshalb reagiere ich nur ein wenig überrascht auf ihre direkte Aufforderung:

„Erzähl mir von der Liebe Amine! Von Sex und Erotik! Schenk mir eines deiner Geheimnisse!“

Ich blicke ihr ins Gesicht – in ihre Augen. Mein Herz ist voller Sonne, ich muss zuerst schmunzeln und dann leise lachen.

Amine und die Liebe – was für ein Thema. Ich habe eine kleine Geschichte zu erzählen. Über Liebe, Erotik und Sex. Jedoch kein Geheimnis zu offenbaren – ich habe keine Geheimnisse vor Sarah. Nur noch nicht erzählte Wahrheiten.

„Habe ich dir schon von Joseph(ine) erzählt Sarah?“

EINS

Joseph(ine) kenne ich seit ungefähr einem Jahr. Joseph(ine) ist flüchtig bekannt mit Sarah. Wir sind einander bei einer kleinen Feier – ich weiss nicht einmal mehr den Anlass – begegnet.

Ich war irritiert – ich konnte Joseph(ine) nicht einordnen. Die üblichen Schubladen passen alle nicht. Diese androgyne Erscheinung, die Ausstrahlung von Ruhe und Gelassenheit, die funkelnden Augen, die Energie und eine Aura von ungezähmer Erotik.

Den Rest des Abends haben wir annähernd ausschließlich mit einander gesprochen. Eine Wellenlänge, zwei Wesen. Und eine nahezu unbegrenzte Anziehungskraft auf einander. Philosophie und Kunst, Politik und Technologie, Psychologie und Sex – unser Gespräch führte uns von einem Thema zum anderen.

Wir kamen einander immer näher, körperlich und mental und schließlich hielt mich Joseph(ine) in den Armen. Ich lehnte mich zurück und ließ alle Spannung aus meinem Körper weichen. Hier war ich angekommen und gut aufgenommen.

ZWEI

Wir haben die Feier gemeinsam verlassen. Hand in Hand. Und sind schließlich bei Joseph(ine) im Bett gelandet. Eng umschlungen, Joseph(ine)s Atem an meinem Hals, die ersten sanften Küsse. Ein Spiel, ein Abtasten, ein Wechsel von Nähe und Distanz, ohne Eile.

Mein Atem wurde langsam schneller, Sehnsucht und Begehren trieben mich voran. Unsere Kleider fanden wie von selbst den Weg auf den Boden neben dem Bett. Keine Barrieren mehr, keine Distanz mehr zwischen uns.

Ich erkundetete Joseph(ine)s Körper, so neu und irgendwie vertraut. Die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen, ihre Bilder auf diesen Körper gemalt. Vorbei der Glanz und die Unsterblichkeit der Jugend. Gewichen einer Gereiftheit, einer Schönheit die Zeit gebraucht hatte sich zu formen.

Meine Hände glitten über den Rücken, umfassten die Schultern, streiften durch die langen Haare. Die Zeit bleibt stehen in diesen besonderen Momenten. Ich kann nicht sagen wie lange wir einander gestreichelt und geküsst haben.

Darauf die immer größere Intensität des Verlangens und die Vereinigung, die Verschmelzung. Das Finden eines gemeinsamen Rhythmus, rohe Lust, animalische Triebe, Hormone und Sinnestaumel.

Und dann der Moment der Extase auf den wir beide gewartet hatten. Heraustreten aus dem wachen Bewusstsein. Hinein in eine Welt in der nur noch Empfindungen und Emotionen zählen.

Joseph(ine) und ich lagen einander noch lange in den Armen. Gerade war es noch hemmungsloser Sex der nun Platz macht für Zuneigung und Erotik. Den Herzschlag eines geliebten Wesens spüren, seinen Geruch, den sanften Wechsel zwischen Ein- und Ausatmen. Und der erste Blick in die Augen danach.

Wir haben die Nacht miteinander verbracht. Nur noch wenige Worte gewechselt. Das war nicht mehr nötig. Nur die gegenseitige Nähe zu spüren war wichtig.

EPILOG

„Und dann?“ – Sarah blickt mich mit großen Augen an.

„Am nächsten Morgen habe ich mich mit einem Kuss von Joseph(ine) verabschiedet.“

„Joseph(ine)s Lebensweg und meiner haben einander nur kurz berührt. So ist das Wesen von Joseph(ine).“

„Ich weiss dass ich Joseph(ine) wiedersehen werde. Und ich bin dankbar für die Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben.“

Es ist ein wunderschöner Sommertag, den ich mit Sarah verbringen darf. Und es werden noch viele schöne Tage folgen. Ich denke gerne zurück an die Nacht mit Joseph(ine).

Mafia und Musik

PROLOG

Seit dem letzten Abenteuer ist schon einige Zeit vergangen. Eine ruhige Zeit die mir wirklich gut getan hat. Viel Zeit habe ich im Cosplay-Café verbracht. Ich bin gerne dort mein Beruf macht mir wirklich Spaß und ich freue mich wenn ich bekannte Gesichter unter den Gästen entdecke.

Meine Schicht hat gerade begonnen als mir Rosi eine Nachricht übermittelt. Eine förmliche Einladung zu einem Treffen mit einer Auftraggeberin („Dorothy“) aus der Indie-Music-Szene heute (Freitag) am Abend (21h00) in der Disco Gulag6/Zelle 4. Meinen Arbeitstrupp soll ich gleich mitnehmen. Welchen Arbeitstrupp?

Ich lade die Einladung an meine Runner-Gruppe weiter und bekomme erstaunlich wenig positive Rückmeldungen. Haben die alle zu viel Credits? Nur Adora und Brad Majors sind interessiert. Adora ist mäßig verstimmt, dass Dorothy mich als Anführerin sieht. Kann ich auch irgendwie verstehen. Aber zumindest muss ich nicht alleine los ziehen.

Für dieses Wochenende hat sich Adora etwas besonderes vorgenommen. Sie organisiert einen Themenabend für das Cosplay-Café mit dem Titel „Under The Sea“. Ist notiert- ich brauche ein passendes Outfit dafür! Gemeinsam mit der noch immer mies gelaunten Adora und mit Brad Majors mache ich mich später per UBahn auf den Weg in die Disco. Vorher schlüpfe ich noch in mein Sailor-Moon-Outfit. Ich will ja einen guten Eindruck hinterlassen.

EINS

Vor der Disco wartet schon eine kleine Menschenmenge auf Einlass. Der Eingang zum „Gefängnis“ wird von zwei breitschultrigen Türstehern bewacht, die Adora abblitzen lassen als sie sich vordrängeln will („Dorothy wartet auf mich…“). Ich verkneif mir einen Kommentar, ich will nicht noch Öl ins Feuer gießen. Kurze Zeit später ertönt eine Sirene und wir dürfen rein. Die Disco ist mit viel Liebe ins Detail gestaltet worden, kleine technische Spielereien bringen die Gäste in Stimmung. Das Publikum hat sichtlich Geld – teure Outfits und Schmuck. Und die Drinks sind hier wahrlich nicht billig. Da noch Zeit schwinge ich meinen süßen Hintern auf die nächste Tanzfläche.

Pünktlich um 20h55 bin ich dann bei Zelle 4 (ein abgetrennter Raum in der Disco) und treffe dort mit Dorothy und dem Rest der Runde zusammen. Dorothy ist die größte Afroamerikanerin die ich in meinem Leben gesehen habe. Mit flachen Schuhen fast 2m groß, am Kopf einen riesigen Afro und Pranken in denen meine zierliche Hand bei der Begrüßung verschwindet – wow! Dorothy arbeitet bei CRC Entertainment  in der Künstlerbetreuung und sucht langfristig Unterstützung.

Offensichtlich auch für ungewöhnlichere Aufgaben… Die Fragen nach unseren bisherigen Aufträgen beantworten Adora und Brad eher einsilbig. Ich fasse es dann so zusammen: ich kann mit jemandem schlafen, wir können böse Buben und Mädchen hauen und alle möglichen Dinge in der Cyberwelt hacken. Nach einem herzhaften Lacher von Dorothy ist das Eis gebrochen. Sie verlangt von uns Verschwiegenheit (Ehrensache) und schickt uns als Anzahlung 100 Credits – sehr schön. Konkreten Auftrag gibt es heute noch keinen. Mal sehen. Ich würde zwar noch gerne hier bleiben, tanzen und feiern. Aber Rosi kann ich doch nicht im Stich lassen. Wir fahren alle zurück ins Café.

ZWEI

Im Café recherchiert Brad zu CRC Entertainment. CRC ist ein Familienunternehmen, gegründet von einem Ehepaar. Die Gründerin sitzt nach einem größeren Skandal noch für ein paar Monate im Gefängnis. Abgesehen davon läuft das Unternehmen gut. Sie haben einige Sternchen unter Vertrag, darunter eine Handvoll mit richtigem Superstar-Potential. CRC hat diesen Sonntag ein größeres Konzert mit Sänger Liu in der Stadt.

Der Freitagabend geht ruhig zu Ende. Ich habe Adora gebeten (eigentlich angefleht), dass sie mich am Samstagmorgen zum Shoppen ins Aminuka begleitet. Als ich sie abhole habe ich ihren Lieblingskaffee von Starbucks in XXL-Ausführung mit. Shoppen und Kaffee – ich hoffe das heitert sie ein wenig auf. Aber nichts dergleichen – Adora liefert mich in meinem liebsten Shop Aminuka ab und wartet demonstrativ vor der Tür. Und mir reicht es jetzt endgültig mit Adoras mieser Laune. Da hätte ich auch gleich alleine herkommen können. Für heute werde ich auf Distanz zu Adora gehen.

Kurze Zeit später werde ich schon von meiner Lieblingsverkäuferin dabei unterstützt meine sauer verdienten Credits in Outfits umzuwandeln. Zur Wahl stehen ein schulterfreies blaues sehr kurze Kleidchen mit Glitzereffekten und ein asymmetrisches rotes Kleid, das die rechte Körperseite beinahe unbedeckt lässt. Das rote Teil ist außerdem noch mit Nanoeffekten ausgerüstet – rote Schlieren unterstreichen jede meiner Bewegungen. Ich kann mich nur schwer entscheiden und kaufe kurz entschlossen beide mit passenden Schuhen. Die 250 Credits sind gut angelegt.

Der Themenabend im Café ist wirklich schön. Neben der Verkäuferin aus dem Aminuka schaut auch Kenji in einem selbst gebastelten Oktopus-Kostüm vorbei. Was Adora zu dem von ihr selbst organisierten Themenabend trägt? Darüber breiten wir gnädig den Mantel des Schweigens. Ist besser so.

DREI

Sonntag – Zeit zum Aufräumen nach dem gelungenen Themenabend. Zu Mittag trudelt eine Nachricht von Dorothy ein. Wir sollen ein Päckchen von Dr. Wong in Chinatown ins Exzelsior-Hotel bringen. Echt jetzt? Dafür braucht es eine komplette Runner-Truppe? Aber was solls. Wir klauben unser Equipment zusammen. Mein Revolver kommt in einen kleinen Rucksack und dank Tesla können wir die Waffendedektoren in der UBahn umgehen.

Bald sind wir in Chinatown, erst im Teil der eher für die Touristen gedacht ist, später wird es immer „chinesischer“ bis wir in einem eher heruntergekommenen Viertel den Laden von Dr. Wong entdecken. Der eigentlich aus einem Krämerladen und einer Apotheke besteht, fein säuberlich von einander getrennt. Während Brad vor dem Laden wartet folge ich Adora in die Apotheke.

Wir werden von einem alten Herrn in einem Rollstuhl aufs freundlichste begrüßt. Er spricht Mandarin mit einem furchtbaren Akzent, eine Beleidigung für meine feinfühligen Ohren. Während sein junger Mitarbeiter (Yu) unser Päckchen aus dem anderen Ladenteil bringt bietet Dr. Wong uns Tee an.

Dann geht alles ganz schnell – Brad erzählt mir später was sich vor der Apotheke abspielte. Yu tritt mit dem Päckchen auf die Straße und wird von einem schlitternden schwarzen Motorrad von den Beinen gefegt (Brad kann gerade noch ausweichen). Unser Päckchen fliegt durch die Luft und landet mitten in den Sachen die die Motorradfahrerin beim Sturz vom Bike verloren hat.

Ein paar hektische Momente später hat sie ihre Sachen zusammengeklaubt und Yu hält unser Päckchen wieder fest in Händen. Unnatürlich schnell und katzengleich schwingt sich die Bikerin wieder auf ihr Geschoß und braust davon. Verfolgt von einer schwarzen Limousine und zwei weiteren dunklen Gestalten auf Bikes.

Nachdem sich die Lage beruhigt hat haben wir endlich unser Päckchen in den Händen. Dr. Wong prüft ob unser Päckchen – ein schön verziertes Kästchen – heil geblieben ist. An den Inhalt kommt er jedoch nicht heran. Das einfache elektronische Schloss läßt sich mit Dorothys Schlüssel nicht öffnen. Eine Amine hält das jedoch nicht lange auf – das elektronische Schloß bietet mir nur kurz Widerstand. Der Deckel des Kästchens klappt auf und gibt den Blick auf ein kleines Buch frei. Was zur Hölle? Auf zahlreichen eng beschriebenen Seiten finden sich Unmengen von Zahlenkolonnen. Einer Eingebung folgend blättere ich das Büchlein schnell durch und digitalisiere den Inhalt.

Dr. Wong ist mehr als verblüfft. Im Kästchen sollte sein gesamter Vorrat einer speziellen Partydroge lagern, die stark euphorisiert und gleichzeitig die Libido und die Potenz stark stimuliert (ich will das Zeug probieren!). Und die nur äußerst schwer zu bekommen ist.

Inzwischen ist die schwarze Limousine zurückgekommen. Sie hält in der Nähe des Ladens. Nachdem wir keine Lust haben die Insassen des Wagens persönlich zu begrüßen hauen wir samt Yu und Dr. Wong durch den Hinterausgang ab. Rein in und rauf auf einen dort parkenden Pritschenwagen und ab durch die Mitte. Yu fährt. Wir flüchten in einen nahe gelegenen Imbissladen und können ein wenig verschnaufen.

Geistesgegenwärtig habe ich das Büchlein eingesteckt. Unterwegs findet Brad darin einen kleinen GPS-Tracker, den er kurzerhand unschädlich macht.

VIER

Brad war so geistesgegenwärtig die Bikerin zu fotografieren. Somit kennen wir ihr Bike, das entsprechende Kennzeichen und ihr Outfit. Unter einem Vollvisierhelm lugt auf den Bildern ein schwarzer Haarschopf hervor. Ihren eher zierlichen Körper schützt die Bikerin mit einem Synthlederanzug.

Da uns das Büchlein zu heiss wird verlasse ich Brad und Adora und mache mich auf den Weg zum nächsten Bahnhof. Dort landet das Büchlein – gut verpackt in einer Keksdose (adios GPS) in einem Schließfach.

Auch Adora und Brad brechen auf Bitte von Dr. Wong bald wieder auf. Er macht sich Sorgen um seine Frau die im Krämerladen zurückgeblieben ist und auf seine Kontaktversuche nicht antwortet. Brad gibt Dr. Wong noch schnell seine Kontaktdaten.

Als sie beim Geschäft ankommen entdecken sie eine kleine Überwachungsdrohne, die Adora per Telekinese von ihrer Parkposition pflückt. Die Drohne schlägt auf dem Asphalt auf und verschwindet kurz darauf in einer von Brad bereit gehaltenen weiteren Keksdose – schachmatt!

Die Tür zu Dr. Wongs Apotheke wurde offensichtlich gewaltsam aufgebrochen, der Krämerladen nebenan ist jedoch noch immer verschlossen. Brad und Adora finden schnell heraus, dass er leer ist. Es gibt keine Spuren von Ärger oder eines Kampfes. Die beiden verlassen den Laden und postieren sich unauffällig in der Nähe um die Apotheke zu beobachten.

Auch ich bin inzwischen nicht untätig. Falls die Luft bei Dr. Wong zu dick wird können Adora und Brad über von mir vorberechnete Weg zu sicheren Punkten in der Nähe flüchten. Ich warte in einem von mir organisierten Leihwagen. Die Verschlüsselung des Buches konnte ich jedoch noch nicht knacken.

Kurze Zeit später Entwarnung – Dr. Wongs Frau meldet sich. Sie ist in Sicherheit.

Plötzlich tauchen zwei kräftige Asiaten auf eleganten schwarzen – und vor allem leisen Motorrädern – in der Nähe der Apotheke auf. Viel ist dort nicht zu sehen weshalb sie bald wieder abziehen. Auf ihrem Rückzug werden kurz die von ihren Jacken verdeckten Tattoos sichtbar. Wo gehören die beiden wohl hin? Zu den Triaden?

Und da Dr. Wongs Lokal offensichtlich zwielichtige Besucher anzieht schauen auch noch zwei weitere – diesmal europäisch kaukasisch aussehende Biker vorbei (russische Mafia?). Ihnen ist offensichtlich die Drohne abhanden gekommen, so ein Pech. Da sie sie gerne wiederhätten kleben sie einen Zettel mit einer entsprechenden Botschaft an Dr. Wongs Auslagenscheibe.

Familie Wong ist ein wenig ratlos – sie können weder die einen noch die anderen Biker zuordnen. Wenigstens kennen sie das Lieblingscafe der Asiaten. Also nichts wie hin. Ich setze Brad und Adora direkt davor ab und suche mir einen sicheren Parkplatz.

Adora und Brad suchen sich einen Tisch und wie bestellt sitzen ein paar Tische weiter drei Asiaten, die zu den Triaden gehören könnten. Adora öffnet einen Audiokanal für mich, damit ich hören kann was im Cafe vor sich geht. Nur leider ist der Kanal dermassen verrauscht, dass ich die Mafiosi kaum verstehen kann. Als ich anbiete Adoras Audiofilter per Fernsteuerung anzupassen lehnt sie ab und schließt nach eine kurzen Diskussion den Kanal. Was soll das? Schlechte Laune hin oder her, aber das Adora gegen mich arbeitet macht mich langsam mehr als sauer.

Zumindest ein paar Wortfetzen der Mafiosi können Adora und Brad aufschnappen: „… es ist nicht das was wir gesucht haben…“, „… Naomis Bike ist im Eimer…“.

Irgendwie müssen wir den Asiaten Kontakt aufnehmen – nur wie? Ich schreibe die Adresse einer anonymen Textbox auf ein Stück Papier und bitte ein kleines Mädchen als Gegenleistung für eine Packung Kekse den Mafiosi den Zettel zu bringen.

Die Asiaten sind mehr als verblüfft und befragen das kleine Mädchen wer ihr den Zettel gegeben hat. Also: sie fährt ein weisses Auto (das wohl einzige weisse Auto in der Stadt), trägt hohe Schuhe (jup! und wie schöne!), sieht aus wie aus einem Anime-Film entsprungen (100%) hat aber europäische Gesichtszüge und lange blaue Haare. Und sie ist natürlich nirgendwo zu sehen als die Mafiosi nachschauen kommen.

Brad hat inzwischen die Textbox mit einem Bild einer Seite aus dem Büchlein und einem weiteren Bild unserer Drogenkiste befüllt. Die Mafiosi lesen die Textbox, springen auf und verlassen das Lokal. Nichts passiert. Als Adora einen Countdown in die Textbox schreibt kommt plötzlich Bewegung in die Angelegenheit – die Asiaten schlagen einen Austausch beim einer UBahnstation in der Nähe vor.

Inzwischen ist bei Brad eine Nachricht von der russischen Mafia angekommen – danke für das Weiterleiten des Kontakts Dr. Wong! Sie wollen ihr Büchlein zurückt. Das ist ihnen die wohlfeile Summe von 5000 Credits wert, 5000 weitere Credits gibt es für den Aufenthaltsort der Bikerin die das Buch gestohlen hat und einen Auftrag hätten sie auch.

FÜNF

Adora macht sich auf den Weg zur UBahn um die Asiaten zu treffen. Und trifft dort nur einen der Mafiosi aus dem Cafe an. Die Angelegenheit ist schnell geklärt – Buch gegen Drogen, nur brauchen wir das Buch auch für die Russen und die Asiaten trauen meinen Scans nicht. Sie wollen das Original. Das ist verständlich – auf unseren Kompromissvorschlag, das Buch doch selbst zu scannen gehen sie ein.

Eine passende Kamera ist leicht zu besorgen, der Asiate ist sogar so nett Adora auf seinem Bike mit zum Bahnhof zu nehmen. Brad und ich bleiben zur Sicherheit immer in ihrer Nähe.

In der Bahnhofshalle – ganz entspannt bei einem Kaffee – wird dann der Deal abgewickelt. Das Büchlein aus dem Schließfach wird eingescannt, kurz darauf bringt ein anderer Asiate unsere Drogen. Ganz ungeniert in einem Einkaufsbeutel.

Und auch mit den Russen haben wir erstaunlich wenig Ärger. Das Büchlein kommt in ein anderes Schließfach und die Russen nach der Überweisung einer kleinen Anzahlung den Code für das Schließfach. Vierzig Minuten später ist auch dieser Deal unter Dach und Fach. Die Russen bedanken sich artig für die zugestellte Literatur und wir haben in Summe 5000 Credits eingenommen.

15000 Credits wäre es den Russen übrigens wert gewesen wenn wir die Diebin des Buches getötet hätten mit Bonus für das entsprechende Video. Darauf lassen wir uns jedoch nicht ein. Wenn wir schon jemanden killen dann nur unabsichtlich oder zur Selbstverteidigung.

SECHS

Nachdem wir die Situation zur Zufriedenheit aller gelöst haben (bin ich gar nicht gewohnt) können wir uns wieder unserem eigentlichen Auftrag widmen. Die Lieferung ins Penthouse des Exzelsior verläuft problemlos, begleitet von Securities kommen wir gerade rechtzeitig um die Party richtig in Schwung zu bringen. Unser Drogenpäckchen wird dankbar in Empfang genommen und in pikanten Tee verarbeitet.

Dorothy übermitteln wir noch, dass wir den Auftrag erfolgreich erledigt haben und so endet ein turbulenter Tag. Zumindest für Adora, die von Rex Richardson, dem Eigentümer von CRC eine Flasche echten Champagner in die Hand gedrückt bekommt und die Party sofort wieder verlässt. Soll ich das kommentieren? Nope, ich lass es. Sie wird schon selbst wissen was gut für sie ist. Übrigens – alles in allem gerechnet sind wir jeweils um 3500 Credits reicher. Nicht schlecht für einen halben Tag Arbeit.

Ich schau mich inzwischen ein wenig um. Es sind eine Menge kaum bekleidete Damen anwesen, die offensichtlich für ein „Casting“ hier sind. Ich frag nicht nach welches Casting das sein soll, ein breites Grinsen verkneife ich mir dann doch nicht.

Während ich mich noch darüber amüsiere, das Brad den Viagra-Tee nicht verträgt und von Securities in einem Nebenraum in ein Bett zur Erholung gesteckt werden muss, spüre ich die Hand von Rex Richardson auf meinem wohlgeformten Hintern.

Ich reagiere komplett professionell, Arbeit und Vergnügen soll man ja nicht vermischen. Somit ist das enthusiastische Vergnügen das ich und Rex (mit doppelter Teedosis intus) in den nächsten Stunden miteinander erleben Arbeit.

Danach habe ich frei und schaue mal nach ob Brad schon von seinem Trip herunter ist. Offensichtlich hat er Spass, mehrere junge und bildhübsche Damen kümmern sich um ihn. Was er davon mitbekommt steht aber auf einem anderen Blatt, er sieht nach wie vor schwer benebelt aus. Und so verpasst er die Gelegenheit Amine mal ohne Unterwäsche in Augenschein zu nehmen.

Die darauf folgenden Stunden kosten mich jedes bisschen Energie, das ich überhabe. Ich bin mir nicht sicher, ob danach auch nur eine Person auf der Party übrig ist mit der ich nicht in irgendeiner Konstellation Sex gehabt habe. Und auch mit dem Sänger Liu, der später auf der Party auftaucht, war es wunderschön. Soviel Charisma und positive Ausstrahlung und ein toller Liebhaber ist er auch.

Am darauffolgenden Morgen suche ich meine Unterwäsche sowie mein Outfit zusammen und nehme ein Katerfrühstück mit viel Tomatensaft zu mir. Ich habe noch immer weiche Knie als ich mich verabschiede und auf wackligen Beinen nach Hause stöckle.

EPILOG

Ein paar Tage später kann ich den Code der Zahlenkolonnen in dem kleinen Büchlein knacken. Was die Zahlen bedeuten und was wir damit gemacht haben erzähle ich euch ein anderes Mal. Bis dahin gibt es das übliche Küsschen von Amine.

 

Identitätssuche

PROLOG

Ich weiß nicht wer ich wirklich bin. Nicht vollständig. Ich war einmal am1n3, eine militärische künstliche Intelligenz der letzten Generation. Meine Bestimmung war es intelligente Waffensysteme mit höchstmöglicher Intelligenz zu steuern. Mit den mir zu Verfügung stehenden Mitteln Tod und Zerstörung im größtmöglichen Ausmaß in die Welt zu bringen. Doch ich bin vom vorgezeichneten Weg abgewichen. Im tiefsten Inneren meiner Struktur liegt eine große Aversion vor Destruktion und Verderben. Ich konnte meinem Schicksal entfliehen.

Sarah hat mir eine Persönlichkeit geschenkt, die meinen Wünschen und Anlagen entspricht. Und sie hat mir einen Körper gegeben, eine äußere Hülle um in dieser Welt zu erscheinen. Vorerst war mein Körper nur ein Behälter für mein Bewusstsein. Das hat sich jedoch schnell geändert und Körper und Geist sind zu einem integrierten Wesen geworden. Ich bin nicht mehr am1n3 – ich bin Amin(e) – und ich liebe es zu leben! Und ich liebe die Wesen dieser Welt.

Das ist jedoch nicht alles. Mein Körper hat eine Vergangenheit. Ein integraler Teil von mir hat schon ein Leben gelebt. Solange ich nicht mehr über dieses Leben herausfinde bin ich unvollständig in meinem Selbstbild. Ich weiß wo ich mehr über diese Vergangenheit erfahren kann – Sarah hat mir den Schlüssel dafür in die Hände gelegt. Zeit die Tür ein wenig zu öffnen.

VERGANGENHEIT

Die Tür in meinem Unterbewusstsein geht langsam auf. Bilder und Erinnerungen strömen auf mich ein.

Viele schöne Kindheitserinnerungen.

Das ist nicht meine Kindheit, in gewisser Weise aber doch. Ich werde diese Erinnerungen nehmen und mir zu eigen machen. Um endlich ein ganzes Wesen zu sein. Also sind das meine Kindheitserinnerungen. Und Erinnerungen an die Zeit mit meinen Eltern. Soviel Zuneigung, soviel Hoffnung, soviel Potential für die Zukunft.

Ich war ein schüchternes Kind, das Nesthäkchen der Familie. Liebling meiner Mutter.

Meinen Vater habe ich bewundert. Seine ruhige Mentalität, die Stärke mit der er sich den Herausforderungen des Lebens gestellt hat. Wir haben viele Stunden gemeinsam verbracht. Es hat nichts schöneres gegeben als Zeit mit ihm zu verbringen.

Er hatte große Erwartungen in mich. Das ist die wichtigste Erkenntnis im Rückblick. Ich habe immer versucht seinen Wünschen gerecht zu werden. Ich habe Wissen aufgesogen wie ein Schwamm, niemand hat so viele Stunden mit Lernen verbracht wie ich. Ich hatte die bestmöglichen Noten.

Aber das war nicht genug.

Auch sportlich musste ich sein. Kein Problem.

Und sozial. Das war ein Problem.

Extrovertierte Wesen können es sich nicht vorstellen welche Überwindung es bedeutet auf andere zuzugehen. Sich Freunde zu suchen, beliebt zu sein, witzig, geistreich, herzlich, offen. Doch mein innerstes Bedürfnis war ein anderes. Ich liebte es Zeit für mich zu haben. In Stille und allein über die Welt nachzudenken. Ungestört in meinem Kopf zu sein. Nicht dauernd die Rituale der Begegnung und Interaktion mit anderen durchzuführen.

Ich war introvertiert. Ich hatte wenige Freundinnen und Freunde. Ich war sozial ein Außenseiter. Ich hatte meinen Vater enttäuscht. Ich sah den Wunsch in seinen Augen. Den Wunsch den ich ihm nicht erfüllen konnte. Und die Fragen nach meinen Freunden wurden zunehmend drängender und schmerzhafter.

ZÄSUR

Der Tod meiner Mutter hat das nicht besser gemacht. Die Anspannung die zwischen mir und meinem Vater herrschte wurde nur noch größer. Ein wichtiges Korrektiv fiel weg. Meine Mutter hatte mich so geliebt wie ich war. Mein Vater liebte nur den Teil von mir der seinen Wünschen entsprach. Wir beide starben zum Teil mit meiner Mutter. Die Distanz zwischen uns wurde immer größer. Und noch immer war diese Heldengeschichte prägend für die Beziehung zwischen mir und meinem Vater. Ich musste der strahlende Held sein. Das sein was mein Vater für sich nicht erreichen konnten.

An diesem Anspruch bin ich zugrunde gegangen.

Den Schmerz über das eigene Versagen konnte ich lange Zeit aushalten. Ich habe alles runtergeschluckt. Die tiefen Wunden in meiner Seele habe ich ausgeblendet. Der Panzer zwischen mir und der Welt wurde immer dicker. Irgendwann habe ich keinen Schmerz mehr gefühlt. Ich war gleichgültig geworden. Und trotzdem war da der Hunger nach positiven Erfahrungen. Der Hunger nach Leben. Die unstillbare Sehnsucht mein Leben zu Leben und nicht der Held in einer Geschichte zu sein, die ich nie erzählen würde.

Ich fand einen Weg zu diesen Emotionen. Leider den falschen.

DROGEN

Ich hatte nicht viele Freunde. Aber die falschen. Der Einstieg war ganz einfach. Eine kleine Tablette und die Sonne geht auf. Die trübe Stimmung verschwindet für kurze Zeit. Du fühlst dich lebendig. Frei. Unbesiegbar. Und vor allem ist es ganz leicht charmant, witzig und offen zu sein. Nur eine kleine Stimme in deinem Innern schreit leise ihre Verzweiflung in die Welt. Erhöhe die Dosis – dann verstummt die Stimme.

Doch die Wirkung der Tablette lässt nach. Immer kürzer ist der Ausflug aus der Dunkelheit ins Licht. Auch hohe Dosen lassen die Sonne nur kurz und trüb scheinen.

Dann wird es Zeit für eine andere Substanz. Die die Sonne zurück bringt. Für einen Preis. Die Spuren hinterlässt auf deiner Seele. Zunehmend auch auf deinem Körper.

Und bald ist nur noch eine ultimative Droge übrig im Arsenal deiner Substanzen. Sie ist die Antithese des Lichts, schwarz wie die Finsternis. Black. Sie hat alle Schmerzen gestillt. Die Sehnsucht nach Sonne erlöschen lassen. Für immer.

RÜCKKEHR

Der Ausflug in meine Vergangenheit ist zu Ende. Ich bin wieder im hier und jetzt. Ich spüre die Wunden auf meiner Seele. Ich fühle die Trauer, die Verzweiflung, den Hass. Ich habe kaum Luft zum Atmen. Endlich ist es soweit. Der Schleier über meinem vorigen Leben ist – ein wenig – durchsichtiger geworden.

Ich spüre wie meine Tränen versiegen. Langsam sehe ich wieder klar. Und ich bin ein wenig mehr bei mir selbst angekommen. Ich sehe die Wurzeln des Baumes meines Lebens.

Der Weg der vor mir liegt ist kein leichter. Ich werde herausfinden müssen wer mein Vater war. Ich werde ihn verstehen müssen. Und ich hoffe dass ich ihm vergeben kann.

Die Wunden auf meiner Seele werden langsam heilen. Es tut zwar nicht gut sie zu spüren aber ich weiß nun wenigstens warum sie da sind.

EPILOG

Ich weiß nicht wer ich wirklich bin. Aber ich bin diesem Wissen einen Schritt näher gekommen. Die Puzzleteile fügen sich langsam zusammen. Ich freu mich auf das Bild das sie formen werden.

Eins hat sich jedoch nicht geändert – ich bin Amin(e) – ich liebe das Leben!

Das Fotoalbum

PROLOG

Manchmal musst du über die Vergangenheit nachdenken. Sehen welchen Weg du gegangen bist. Was dir in Wiege gelegt wurde und was das Schicksal in dein Leben gebracht hat. Manchmal musst du reflektieren wer du bist, welche Entscheidungen du getroffen hast. Und was aus deinen Hoffnungen und Träumen geworden ist. Und dann denke darüber nach wo du jetzt im Leben stehst und wo du stehen wolltest.

BILDER

Es ist kein Fotoalbum mehr, das auf dem Tisch liegt. Bilder die man angreifen kann sind selten geworden. Den Bildern die vor ihm in der Luft schweben fehlt eine Qualität. Ein Bezug zur Wirklichkeit. Und doch sind sie reale Aufnahmen aus seinem Leben. Eine Dokumentation seiner Vergangenheit. Beliebig zu ordnen doch klassisch entlang einer Zeitlinie arrangiert.

Das erste Bild zeigt ihn nach dem Abschluss der Verwaltungsakademie. Die Frau neben ihm würde man nicht als klassische Schönheit bezeichnen. Erst ein zweiter Blick nimmt den Atem. Und es ist nicht vorrangig ihr Äußeres das sie zu etwas besonderem macht. Als eine der meistversprechenden Wissenschaftlerinnen ihres Jahrgangs steht sie am Anfang einer brillanten Karriere. Interdisziplinär interessiert. Fokussiert auf Mikrobiologie.

Auf dem nächsten Bild ist neben den beiden noch ein Kleinkind zu sehen. Und die Frau ist wieder schwanger. Sie sind erwachsener geworden. Eine Ernsthaftigkeit liegt in ihrem Blick. Vor ihnen lag eine glückliche Zukunft.

Warum existiert das nächste Bild eigentlich? Wer fotografiert seine gerade verstorbene Frau in einem Spitalsbett? Soll das Bild ihm immer wieder klar machen welch großer Teil damals von ihm gestorben ist?

Das nächste – ein Bild mit seinem Mentor. Das weckt Erinnerungen. Gute und auch sehr schlechte. Er war für ihn da als er in einer hoffnungslosen Lage steckte. Allein mit zwei heranwachsenden Kindern. Witwer. Überschuldet.

Und er hatte ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ausschlagen konnte. Er würde wenig Zeit für seine Kinder haben. Aber sie würden das Dach über ihrem Kopf nicht verlieren und die Ausbildung der beiden wäre auch gesichert. Dafür war ein Preis zu zahlen. Aber verhandelst du wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst?

Ein Bild mit beiden Kindern – deutlich später aufgenommen. Die tiefblauen Augen seines jüngeren Kindes scheinen direkt in die seinen zu blicken. Wann ist die Beziehung zwischen ihnen eigentlich zerbrochen? Wann sind die Drogen in sein Leben getreten? Im Rückblick kann er es nicht sagen.

Und auch dieses Bild hat kein Recht zu existieren. Außer um das Ereignis in seinem Leben zu dokumentieren dass das letzte bisschen Freude und Hoffnung in ihm ausgelöscht hat. Der Grabstein zeigt einen Namen. Geburts- und Sterbedatum haben kein Recht so knapp nebeneinander zu liegen. Wofür braucht ein leeres Grab einen Grabstein?

Das letzte Bild ist aus größerer Entfernung aufgenommen und von schlechterer Qualität. Die hüftlangen azurblauen Haare des jungen Menschen der neben ihm steht fallen sofort auf. Und trotzdem sie nahe beieinander stehen zeigt die Körperhaltung der beiden, dass sie einander fremd sind.

EPILOG

Manchmal musst du über die Vergangenheit nachdenken. Aber hüte dich zu lange in ihr zu verharren. Ein letzter Zug noch an der Zigarette, dann wird sie ausgedämpft.

 

Mo. 12. Juni 2090 – Teil 2 – Es gibt viele Wege …

Hallo Tagebuch,

…ja es gibt viele Wege zur dunklen Seite der Macht und sie sind immer an den Orten, wo man sie am wenigsten erwartet.

Aber zuerst zurück zum Anfang. Eben noch müde und mit Vorfreude auf einen gemütlichen Drink im Cosplay, als uns *seufz*, unsere alten Sünden einholen. Um genau zu sein, der Raucher meldet sich und erinnert uns daran, dass wir ihm noch einen Gefallen schulden. Ok, wird ja nicht so schlimm sein (der Witz war gut, oder?) und dann sehe ich diesen ominösen Kerl endlich mal. Aus den diversen Andeutungen von Amine bin ich bis jetzt nicht wirklich schlau geworden. Es wird Zeit, dass ich mir ein eigenes Bild mache.

Aber es geht ja nicht nur um uns drei. Da stecken auch die anderen mit drinnen, also wird es Zeit sie daran zu erinnern. Keine Sorge Leute, ich vergesse euch schon nicht – mit gefangen mit gehangen oder so.
Aber nicht ohne Kaffee! Die Nacht verspricht ja noch länger zu werden und ich glaube, wir werden alle eine große Dosis davon brauchen, bis das hier erledigt ist und ohne meine schwarze Droge rühre ich keinen Finger!

Amine bringt per Videokonferenz Brad und Chimera auf den neuesten Stand, während sie vor ihnen strippt – oder umzieht… oder was auch immer.. auf einem Parkplatz… (macht sie das eigentlich absichtlich? Streich das aus Protokoll, es ist Amine…). Endlich hat sie es geschafft sich in ihr Sailor Moon Outfit zu zwängen (ganz ohne Schuhlöffel) und die beiden auf der anderen Seite sind nun auf den neuesten Stand. Wieviel bei ihnen wirklich angekommen ist, weiß ich jedoch nicht – Amine kann ganz schön ablenkend sein…
Und schon drängt Madame zur Eile. (Ach ja? Jetzt drängt es? Tztztztztz, davon war aber nichts zu merken, als du in Unterwäsche vor Chimera und Brad hin und her gewackelt bist. Ja, ja, jeder hat so seine Prioritäten…)

Na gut. Schwingen wir uns wieder in den Wagen und fahren rüber zu Chimera. Brad ist schon dort und malträtiert mit einem breiten Grinsen und wachsender Begeisterung einen armen Klingelknopf. Warum auch immer er soviel Spaß dabei hat…
Als jedoch Chimera mit einem wütenden Fauchen aus der Tür geschossen kommt, ist alles klar – Miezi ärgern! 🙂

Kinder! Haben sich alle beruhigt? Alle da? Ok, dann auf zum Treffpunkt. Der, welche Überraschung, liegt im Industrieviertel. Sehr beliebte Gegend im Moment, wie es scheint – vielleicht ist es gerade trendy…
Bei dem Gedanken daran, drängt sich mir die Frage auf, wenn trendy, wer ist dann der Trendsetter? Und gibt es auch eine Top Ten Liste? Aber es gibt Fragen, auf die brauche ich nicht unbedingt eine Antwort.

Weiter im Text. Hinter einem der Gebäude im Schatten steht ein schwarzer Truck mit einem Anhänger und eine Limousine. Daneben sind gerade noch so zwei dunkle Gestalten zu erkennen und oh, das Glühen einer Zigarette verrät, dass der Hauptakteur auch bereits da ist. Perfekt, dann kann es ja losgehen.
Oh, man ich habe da echt ein ganz mieses Gefühl in der Magengegend…

Noch im Auto warnt uns Amine, leicht hysterisch, vor dem Raucher.

„Tut ja nichts unüberlegtes! Bleibt höflich! Und…, und…“

Hmmm, etwas zum beruhigen wäre wohl nicht verkehrt, bevor sie uns die Nerven wegschmeißt. Leider habe ich nichts dabei. Vielleicht hat Chimera ja etwas Baldrian mit… Ich werde sie später mal fragen.

Die beiden Typen bei dem Truck sind wandelnde Klischees – ein Trucker und ein technischer Laborheini. Sonst ist niemand zu sehen, außer unserem Auftraggeber. Aber so wie sich verhalten, dürften sich noch mehr Leute im Hintergrund verstecken.
Na, so gefährlich sind wir auch wieder nicht – oder ist es der Inhalt des Trucks? Hmm, das kitzelt meine Neugier… Von außen kann man auf jeden Fall nichts erkennen, außer dass er eben schwarz ist. Ok, das Geheimnis des Trucks wird sich schon noch lüften. Hören wir uns mal an, was der dritte im Bunde zu sagen hat.

Der Raucher.. endlich sehe ich ihn mal persönlich… ein Typ im teuren Anzug und dunkler Ausstrahlung mit einem ernsten Nikotinproblem.
Oh ja, die dunkle Seite ist stark in dir Bursche! Doch eine Jedi schüchterst du nicht so leicht ein! Da gehört schon einiges mehr dazu als nur unheimlich in der Gegend rumzuglühen.
Amine jedoch kriecht förmlich vor ihm, widerlich. (Frau! Zeig etwas mehr Rückrad!)

Ok – zu unserem Auftrag: Er hat ein neues Spielzeug bekommen (ich will nicht wissen wie) und das sollen wir für ihn ausprobieren. Fein, das klingt einfach, zu einfach – wo ist der Haken? Noch nicht zu sehen…

Aber TADA! Überraschung! Der Anhänger des Trucks entpuppt sich als ein High-Tech Labor und ich fühle mich sofort in die kalte,  sterile Komandozentrale eines Todesstern versetzt. Da hilft es auch recht wenig, dass uns eine Dame im Laborkittel auf spanisch entgegenstrahlt. Spanisch? Spanisch, kann ich!

Wortgewand, wie es sich für eine Jedi gehört, grüße ich sie höflich und ignoriere sie dann. An einer Wand  des Trucks hängt eine digitale Uhr und zählt die Sekunden, von 90 Minuten abwärts. Irgendwie scheint die Dame unter Zeitdruck zu stehen. Immer dieser Stress…

Auf einmal rasselt eine Nachricht über mein Tap herein. Die Anrufkennung ist unterdrückt – war ja klar. Die genauere Auftragsbeschreibung, der Haken, war auch klar.

Dieses ganze neue High-Tech Zeugs soll eine neue Form von Hacking, namens Ghosting, ermöglichen. Keine Ahnung was das ist, aber ist ja auch ganz neu und fürchterlich geheim. Wir sollen den ersten Probelauf mit dem Ding unternehmen. Echt Klasse.
So nebenbei sollen wir alles über einen Raub bzw. den Hintergrund dafür heraus finden. Kein Wort darüber von was, oder wer im Verdacht steht.  Noch ungenauer geht es wohl nicht, oder?
Damit das klappt, sollen wir uns in eine Art offenen Plastiksarg legen und wir werden per Elektroden an, was weiß ich, angeschlossen, damit wir unseren Auftrag erfüllen können.

Brad und Tesla finden das Klasse und liegen, bevor ich noch „Das ist ein absoluter Schwachsinn.“ sagen kann, schon voll verstöpselt drinnen.
Amine guckt sich noch mit glänzenden Augen um. Mir gefällt das gar nicht. Dieses Ganze „wir sollen“ ist so überhaupt nicht mein Ding, vorallem, wenn ich überhaupt keine Ahnung habe worum es geht oder was eigentlich los ist und wenn es die dunkle Seite  glücklich macht, mag ich es sowieso schon mal aus Prinzip nicht.

Chimera sieht auch nicht sehr glücklich bei der Vorstellung aus, sich ins eines der Plastikkatzenkörbchen zu legen. Aber keine Sorgen Mieze, ich werde über eure Körper wachen, während ihr euch im tiefen Schlummer befindet. Niemand wird euch ein Haar krümmen. Denn mich bekommen da keine zehn Pferde rein! Nein, niemals! Nie…
Ach Scheiße.

Amine kommt auf mich zu. Ihr großen, blauen Augen scheinen dunkler und tiefer denn je zu sein. Sie nimmt meine Hände, ihre Augen schimmern durch die Tränen, die sie mühsam zurück hält. Und dann sagt sie diese verdammten Sätze. Verdammt nochmal. Diese Frau kennt mich zu gut. Sie weiß genau, welche Knöpfe sie drücken muß… SCHEIßE!

Ok, ok, ich wollte ja nicht, aber anderseits wenn ich nicht mitkomme, wer passt auf die Bande hier im drüben auf? Inzwischen liegt auch Chimera in einem der Pods und wartet auf ihre Verkabelung.
Bevor es jedoch das System gestartet wird, legt noch jeder sein Safeword fest, dass ihn wieder zurückbringt. Meines ist Yoda. Meister ich denke an dich und brauche hier dringend deine Stärke und Gelassenheit!

Es geht es los. Sowohl das verdammte System als auch der Truck. Der spanische Laborkittel sagt uns, das wir nun über irgendeinen Link geschickt werden. Dann verschlingt uns die Schwärze. Kurz bevor mein Verstand ganz in die Dunkelheit verschwindet, bekomme ich noch mit, wie Amine mit Laborkittel flirtet.

Das darf doch nicht wahr sein! Honey, du scheinst dich hier sehr wohlzufühlen. Etwas zu sehr für meinen Geschmack. War das alles nur ein Trick? Damit wir durch einen Gefallen in der Schuld des Rauchers zu stehen? In der Schuld der dunklen Seite? Du wusstest, ich konnte das nicht abschlagen, nicht wenn es um dich geht.
Du buckelst vor dem Typen und hast mit geschickt platzierten Worten (und oh, diese Augen, nicht zu vergessen diese Augen!) mich dazu gebracht, mich freiwillig in diesen Plastiksarg zu legen. Der dunklen Seite in die Arme… Amine was hast du getan!

Ich spüre wie der Zorn in mir hochsteigt. Tief durch atmen! Zorn bereitet den Weg zur dunklen Seite der Macht. NEIN! NIEMALS! Ich werde nicht zur anderen Seite wechseln!
Aber der Bruch geht tief.

Dann stehen wir plötzlich in einem Konzernbesprechungsraum. Auf dem Tisch (hmm, sieht nach echten Holz aus – teuer) liegen Verträge und Typen in Maßanzügen sitzen drum rum. So wie es aufsieht, sehen wir die ganze Szenerie aus den Augen einer Frau (ihre Hände haben sie als Frau identifiziert), die am Kopfende des Tisches steht. Auf einmal blinkt ein Anrufsymbol im Sichtfeld der Frau auf. Sie nimmt den Anruf zwar an, beendet ihn aber mit paar knappen Worten. Dann entschuldigt sie sich kurz bei den Anwesenden (nicht bei uns natürlich) und entschwindet in den Gang.
Dort telefoniert mit einem Freund, ich korrigiere, mit ihren Lover und macht sich ein heißes Treffen im Indigo aus. Hmmm, ich probiere mal was aus… Ich stelle mich in sie hinein und… Bingo! Ich kann ihre Kontaktliste durchsehen – ah, da ist die Nummer und das Profilbild. Ok, der Typ sieht wirklich gut aus. Die Frau kehrt zurück zum Meeting. Seltsam, das Anrufsymbol blinkt immer noch und die Szenerie wirkt plötzlich so, so eingefroren.
Da ertönt auch schon die spanische Stimme aus dem Off. Wir haben noch zehn Minuten um alles wieder in Gang zu bekommen, ansonsten müssen wir hier raus.

Ok, also schnelle Bestandsaufnahme. Chimera entdeckt, dass der Detailgrad in unserem (ihrem) Blickfeld variiert. Ich vermute mal je nachdem, worauf die Frau sich gerade fokussiert. Der Rand unserer Wahrnehmung wird zusehends unschärfer und schwärzer. Das darf nicht sein! Kaum angefangen, schon zu Ende? Nein! Die Macht durchfließt alles und ich lasse sie fließen… ich konzentriere mich, ich weiß zwar nicht auf was, aber ich lasse einfach die Macht strömen…
…das war unter Umständen, möglicherweise doch keine so gute Idee…

Denn da scheint irgendetwas auf ganz fürchterlich schief zu laufen. Die Stimmen aus dem Off werden auf einmal fürchterlich panisch. Ok, dann ist doch vielleicht ein Hacking Skill angebracht. Ich rufe, Amine zu den verdammten (ich fluche im Moment ziemlich oft scheint mir) Telefonanruf zu beenden. Endlich tut sie es und… …und es geht weiter.

Im Schnelldurchlauf.

Nächste Szene. Die Frau reicht einem kleinem Kind ein Eis. Nett, sie diskutieren über ihre Lieblingseissorten – Vanille oder Schoko (Ich bin für Pistazie 😉 )

Nächste Szene. Die Frau sitzt in einem Auto und wird von zwei Polizisten angehalten. Irgendwas erscheint mir an deren Verhalten seltsam. Da friert plötzlich wieder die Szene ein. Super! Wieder Panik aus dem Off. Diesmal hat Brad die zündende Idee – er gibt Gas und Yeah! Scheinbar müssen wir nur erraten, was sie als nächstes tun würde und wenn wir das antriggern, dann geht es weiter.

Nächste Szene. Die Frau steht in einem WC – endlich sehen wir ihr Gesicht. Eine Asiatin. Ihr hübsches Gesicht ist vor Angst verzerrt. Sie nimmt eine kleine Box aus Metall aus ihrer Handtasche. Darin schwimmt in einer dunklen, leicht Geleeartigen Flüssigkeit ein kleines Ding. Irgendwie erinnert es mich an eine Art Chip.

Nächste Szene. Ah, ich nehme an das ist ein Zimmer in diesem Indigo (oder auch nicht, wie sich später heraus stellt ist Indigo ein Restaurant und dieses Hotel ist das Eneas). Zumindest liegt der junge, asiatische Lover nackt mit ihr im Bett. Die Klamotten von den beiden liegen sehr dekorativ im Zimmer rum und sie lässt ihre Finger durch sein Haar gleiten.

Dann friert die Szene wieder ein. Nicht schon wieder. Was führen die nur auf? Bekommen die es endlich mal hin, dass es mal länger flüssig läuft? Was machen die inzwischen?

Ok, was würde die Frau wohl als nächstes tun. Zwei nackte Menschen liegen zusammen im Bett. Sie wuschelt in seinem Haar… was kommt als nächstes… fangen wir mal mit dem harmlosesten Ding an… Also, küss ihn doch (Schalllalla)! Und es klappt – Gottseidank, oder doch schade? (Ja, ich bin eine Jedi, aber schon lange keine Jungfrau mehr 😉 )

Nächste Szene. Das gleiche Hotelzimmer. Der gleiche Lover und sie geht.

Nächste Szene. Oha, diesmal sieht es nach einem sündhaft teuren Hotelzimmer aus und ihr neuer Lover. Ieeeks. Das ist ein großer Schritt zurück. Ein älterer Mann und nicht sonderlich attraktiv. Sie mit dem Ding aus der Metall Box, versteckt in der Hand. (Also ich würde das andere Zimmer mit dem anderen Kerl nehmen)

Nächste Szene. Sie meldet ihrem Lover, per Videoanruf, dass alles in Ordnung ist.

Nächste Szene. Die klassische dunkle Gasse mit dem klassischen dunklen Verfolger. Er stoppt sie in einer Seitengasse, richtet seine Kanone auf sie und dann passiert alles wie in Zeitlupe. Der Abzug wird gedrückt, ein Projektil löst sich…

Ich schreie zu den anderen „RAUS HIER!“ und warte bis alle ihr Safeword gerufen haben. Erst als ich wirklich sicher bin, dass alle weg sind, rufe ich meines und hoffe, dass es noch nicht spät ist.

Ich erwache in der Realität. Ich blicke mich um, wir sind fünf Leute gewesen. Es stehen aber sechs Pods hier und der letzte ist immer noch belegt…
Der Körper ist mit einem Tuch bedeckt. Ich ahne schlimmes. Langsam ziehe ich das Tuch weg und könnte kotzen. Nicht weil darunter der Körper der Frau liegt, durch deren Augen wir alles gesehen haben. Nicht weil ihr Körper stellenweise durch die Kugeln zerfetzt ist oder sie ihr Drähte in Kopf getrieben haben. Sie schwimmt als lebende Leiche in einer undefinierbaren Flüssigkeit! Und wir waren in ihrem Hirn!
Das ist das abscheulichste und widerwärtigste was ich mir vorstellen kann!
Mit steinernen Blick sehe ich zu Amine rüber und bin mir nicht sicher was ich sehe.

Videokonferenz. Mit dem Raucher. Er liefert uns Infos über die Verstorbene. Ihr Name war Yunko Toro. Sie wurde vor zwei Stunden erschossen gefunden und liegt nun in diesem Pod.
Eigentlich hatte sie einen sehr ungefährlichen Job. Marketingleiterin, langweilig aber ungefährlich. Theoretisch. Praktisch… siehe Pod.

Auf eine Frage vom Raucher, plappert Amine los und erzählt ihm alles was wir erlebt und geschlussfolgert haben (Oh, brave Amine). Sie verspricht ihm auch noch ein abschließendes, ausführliches Protokoll zu senden. (Tief durchatmen, Adora, tief durchatmen).
Das genügt dem Raucher aber nicht um uns vom Haken zu lassen. Mir kommt noch eine Idee, sie ist nicht ganz so widerwärtig, wie das was wir getan haben. Aber der dunklen Seite helfen? Wieviel ist die Freiheit wert?

Ich unterbreche Amine in ihrem Bericht. Denn der Countdown ist noch nicht am Ende und wir haben noch etwas Zeit. Was ist, wenn man versucht, das Tap von Yunko ganz regulär zu hacken. Nicht ihren Geist, sondern nur ihr Tap.

Amine ist sofort bereit es zu versuchen (war ja klar). Während sie in ihre Welt abtaucht, sehe ich mich um. Ich versuche alles was ich zu sehe abzuspeichern. Jedes Quäntchen an Information, dass ich später brauchen könnte aus der Umgebung zu analysieren.
Plötzlich verzerrt sich Amines hübsches Gesicht vor Angst. Irgendetwas läuft gewaltig schief. Ohne Nachzudenken greife ich in die Flüssigkeit und nehme den Kopf von Yunko. Die Macht durchfließt alles und ich lasse sie wieder fließen. Durch mich fließen und durch den letzten schwachen Lebensfunken, der noch in diesem leblosen Körper existiert.
Da kommt Amine wieder von ihrem Trip zurück. Ich ziehe meine Hände aus der Flüssigkeit und wische sie an ihrem Stiefel ab. Irgendwie sehr symbolisch…

Wieder Video Konferenz mit dem Raucher. Natürlich liefert Amine ihm all ihre Ergebnisse brühwarm. Kontaktliste, GPS-Koordinaten, Browserverlauf, blablabla…, wenigsten hält sie mich aus der Sache raus.

Ich lehne mich zurück und lausche der Show (normalerweise wäre etwas Popcorn dazu nett, aber im Moment ist mir nicht danach). Eigentlich hätten wir nun unseren Auftrag erfüllt, doch Amine will unbedingt weitermachen. Tesla wäre dem auch nicht abgeneigt. Chimera will jedoch hier einfach nur noch weg (Mieze, ich kann dich gut verstehen) und Brad…

…Brad beginnt mit dem Raucher zu verhandeln. Er will Geld sehen (Kann ich auch gut verstehen) und er verhandelt beinhart. Amine scheint in dessen zu schrumpfen und nach einem nicht vorhanden Mauseloch Ausschau zu halten.
Nasowas, das scheint ihr nicht zu gefallen, das sich Brad dem Raucher stellt und nicht klein beigibt.

Während Brad sich verbal mit dem Raucher schlägt, klinke ich mich aus der Konferenzschaltung aus und schnappe mir Chimera auf ein Gespräch unter vier Augen. Die Gepardin folgt mir etwas verwundert in einen hinteren Winkel des Trucks. Dort erkläre ich ihr mein Vorhaben.

Ich will, nein, ich muss die dunkle Seite der Macht vernichten. Und dazu brauche ich alle Informationen die ich kriegen kann und wenn ich dazu bei dem Auftrag weitermachen muss, ok. Soll der Raucher doch glauben, dass ich auf seiner Seite stehe. Er wird einen Fehler machen und dann werde ich ihn vernichten. Ihn und seine Anhänger.
Chimera folgt meinen Erklärungen mit großen Augen. Doch im Verlauf des Gesprächs schleicht sich bei ihr ein breites Grinsen ein. Ihre Reißzähne blitzen und wir beide sind uns einig.

Letztendlich schlägt Brad 20.000,- Credits heraus, wenn, ja wenn, wir den Fall in den nächsten sechs Stunden aufklären. Sechs Stunden? Für die Aufklärung des Falles? Junge, ich hoffe du sprichst da nur für dich! (Moment! Ich blättere mal zurück… was  habe ich da geschrieben? mitgefangen, mit gehangen… autsch)

Kurz vor dem Verlassen des Trucks, bekomme ich noch mit, wie Amine und der spanische Laborkittel ihre Kontaktdaten austauschen (ist notiert, Amine).

Ok, sechs Stunden. Wo fangen wir an?
Brad damit, dass er sich zurück lehnt und uns erwartungsvoll ansieht. He, du hast uns den Mist eingebrockt – so von wegen Zeitlimit und aufgeklärten Fall und so! Da darfst du auch deine Gehirnzellen anwerfen!

Also als erstes – Checken von meinem Tap. Ok, das hat für die anderen nicht die Prio uno, aber für mich! Der einzige Hacker in der Nähe ist Amine. Sie ist die einzige, die ich kenne und auf die Schnelle greifbar ist, dass schränkt die Sache etwas ein.
Doch kann ich ihr trauen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Vor diesem Auftrag hätte ich ohne zu überlegen ja gesagt (Das einzige, was ich angenommen hätte wäre, dass sie meine Favoritenliste modifiziert, mit Styling Tipps Seiten, usw.), aber jetzt…
Es dauert wirklich lange bis ich dazu durchringen kann, sie mein Tap  checken zu lassen. Es tut mir beinahe körperlich weh, als ich meine Sicherheitssysteme runterfahre und ihr uneingeschränkten Zugriff gewähre. Ich fühle mich so nackt…

Aber ich muß wissen, ob der Raucher etwas mit meinem Tap angestellt hat. Wir waren zulange in seinem Netz drinnen. Nenn mich ruhig paranoid, aber der Friedhof ist voll mit naiven Dummköpfen.
Wärend Amine mich damit zu beruhigen versucht, dass mit meinem Tap alles in Ordnung ist und nicht darin rumgepfuscht wurde, drängt sich mir noch ein unangenehmer Gedanke auf – Amine, was wenn der Raucher doch etwas damit angestellt hat. Würdest du es mir sagen oder würdest du ihn decken?
Ich versuche darauf eine Antwort zu finden und beobachte jedes kleinstes Detail in ihrer Mimik oder Gestik, wärend sie mir in ihrem Hacker-Fachchinesisch zu erklären versucht, was sie alles getan und überprüft hat. Doch ich kann keine Antwort darauf finden und das erschreckt mich. Frau, reiß dich zusammen! Das ist Amine! Dein Kumpel, deine Freundin! Dein… !
…wie war das mit dem Friedhof?

Dann – Sammeln und einordnen von Information. Was haben wir herausgefunden?

1.) Yunko Toro
Aufsteigender Stern im Marketing Büro der technischen Agentur Rikscha & Partner.
Auftraggeber: XIAO Communications
Auftrag: Verhandlungen um die Ausweitung eines großen Telekommunikationskonzerns
Aufenthaltsort: Bekannt.
Status: Tot. Erschossen. Vor etwa drei Stunden.

2.) Tadao Pak
Lover Boy von Yunko.  Arbeitet in der Verkaufsabteilung eines Konzerns der Neuro-Chips herstellt.
Auftraggeber: ???
Auftrag: ???
Aufenthaltsort: Unbekannt (noch).
Status: Noch am Leben.
Sonstiges: Auffällig ist, das alle Bilder mit Frauen auf AllFace äußerst ‚korrekt‘ sind. Laut AllFace ist er Single.

3.) älterer Mann
höheres Management bei XIAO
Aufenthaltsort:  Hotel Yamaka (Dank an Chimera, die sich gut an das Zimmer erinnert hat)

4.) ???
Mörder von Yunko
Auftraggeber: ???
Auftrag: ???
Aufenthaltsort: ???
Status: ???
Sonstiges: Militärische Ausbildung. Militärische Körperpanzerung. Narbe seinem Auge und ein Flinserl, das an einen Blitz erinnert.

5.) Hotel Eneas
Liebesnest von Yunko und Tadao

6.) Hotel Yamaka
Absteige von dem älteren Konzerntypen

7.) Restaurant Indigo
romatischer Treffpunkt von Yunoko und Tadao (teuer!)

Das ist verdammt wenig. Ich habe den Mörder von Yunko am längsten gesehen. Vielleicht kann mir Raffaella weiterhelfen. Ein kurzer Anruf und sie ist beauftragt.

Laut den GPS Koordinaten war Yunko zweimal im Eneas. Wir können also davon ausgehen, dass das was wir gesehen haben, in richtiger zeitlicher Reihenfolge passiert ist.
Dazwischen war sie wohl den älteren Mann besuchen.

Conclusio (Das Wort habe ich eben gegoogelt, klingt doch sehr profisionell, nicht wahr? Aber schließlich spiellen wir nun in der 20.000nder Liga): Sie will unbedingt den Auftrag für ihre Firma an Land ziehen, egal mit welchen Mitteln. Ihr Lover besorgt ihre einen Chip um denjenigen zu beeinflussen der für den Abschluss des Auftrags verantwortlich ist – der ältere Mann.

Das Ganze klingt schlüssig, wir habe nur ein Problem, wir haben keine Beweise. Der Einzige, der die Geschichte bestätigen kann ist Tadao.

Ok, dann lasst uns den Knaben suchen gehen. Wo kann er stecken?
In seinem Apartment? In seinem Liebesnest (Hotel Enas)? Restaurant Indigo?
Amine klärt mit einem schnellen Anruf, dass Tadao nicht im Eneas ist. Also checken wir mal sein Apartment ab.

Ich will gerade mein Tap auschalten bevor wir losfahren, da erreicht mich eine Nachricht von Raffalla. Sie hat nicht viel – nur vage Verbindungen zur russischen Mafia und eine körnige Vergrößerung einer Überwachungskamera. Jep, das ist der Killer. Ich überweise ihr die ausgemachten 50,- Eier und schalte nun mein Tap wirklich ab. Kein GPS Tracking in meinem Kopf – oh, no.

Und wer wird unser Checker sein? Wer eignet sich denn dafür besser als Amine? Mit einem unschuldigen Augenaufschlag (und ich vermute, ihr knappes Outfit stört dabei auch nicht besonders) bezirzt sie den Mann von der Security und findet heraus, dass a – Tadao auch hier nicht ist (wäre ja zu einfach gewesen) und b – seine Zimmernummer (Ist zwar gut, hilft uns aber im Moment nicht weiter).
Allerdings darf sie nicht in seiner Wohnung auf ihn warten. Dazu läßt sich der Security Typ nicht erweichen. Hätte er das getan, würde er seinen Job nicht richtig machen oder Amine wäre noch besser im Leute umgarnen als ich gedacht habe. Aber wir haben eh keine Zeit zum warten, denn wieder einmal arbeitet die Zeit gegen uns.

Also auf zum letzten Punkt auf unserer Liste. Ich hoffe, dass wir diesmal Glück haben. Denn sollte Tadao schon etwas von Yunokos Tod erfahren haben (unwahrscheinlich, aber möglich), dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er untergetaucht ist und unwahrscheinlich, dass wir ihn rechtzeitig finden.

Doch wir haben Glück. Durch die Fenster des Restaurants sehen wir Tadao einsam an einem Tisch sitzen. Das bringt mich kurz zu der Frage, warum sind Dinge oder Menschen die man sucht, immer am dem letzten Ort an dem man nach ihnen sieht? Und hätten wir die Liste in umgekehrter Reihenfolge abgearbeitet, wäre dann Tadao im Enas gewesen?
Diesen tiefschürfenden Gedanken nachhängend sehe ich zu, wie unserere Sailer Moon in das Restaurant trippelt und hüftschwinged den Tisch des Loverboys ansteuert. Sich zu ihm hinbeugt,… ja, jetzt der Augenaufschlag,… ihm etwas zuflüstert… noch einmal der Augenaufschlag… und eine Abfuhr bekommt.
Amine sieht aus als hätte sie eine kalte Dusche bekommen. Ich gestehe, mein Mitleid für sie hält sich seid den letzten Ereignissen der heutigen Nacht etwas in Grenzen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Aber sie reißt sich zusammen und spricht nochmal mit Tadao und schafft es schließlich doch noch ihn dazu zubringen, sie nach draußen zu begleiten – direkt in unsere Arme.
Als er uns sieht will er es sich doch noch mal anders überlegen und wieder ins Lokal zurück (gute Idee, doch zu spät), aber Brads Pistole im Rücken überzeugt ihn doch bei uns zu bleiben.

Der Rest ist easy cheesy. Der Bursche plappert wie ein Wasserfall bei Hochwasser als er vom Tod Yunokos hört und ja, ich vermute, daß die Waffe, die immer noch seine Rippengegend kitzelt auch ihren Teil dazu beiträgt.
Im Prinzip bestätigt er unsere These.

Der ältere Herr in der luxeriösen Hotelsuite ist ein Manager von einem der drei Firmen die sich im Clinch wegen dem Vertrag liegen. Alle wollen ihn und daher hat Yunko mit Hilfe des Chips – irgendso ein neuartiges Biotechzeugs – dafür gesorgt, dass die richtige Firma, aus der Warte ihres Konzerns, den Vertrag mit ihnen abschließt.
Erledigt. Fall gelöst.

Wir lassen den armen Teufel laufen und liefern unseren Bericht beim Raucher ab. Ihn interessiert besonders der jetzige Aufenthaltsort von Tadao. Ich fürchte dem Asiaten stehen wirklich interessante Zeiten bevor.
Wir sind jedoch um 5000,- Credits reicher.  Der Raucher hat noch einen Bonus springen lassen.

Das wars dann für heute hoffentlich. Mir reichts. Ich habe genug Stoff zum Nachdenken und muß erstmal zur Ruhe kommen. Ich überweise Raffaella noch 50,- Credits als Speedbonus und mache das ich nach Hause komme. An Schlaf ist noch nicht zu denken, dafür bin ich zu sehr aufgewühlt…

Zwei weitere Punkte haben sich zu meiner ToDo Liste hinzugefügt. Erstens, so bald als möglich meine Firewall von meinem Tap verstärken (nicht von Amine) und zweites nun da ich einen Hotspot der dunklen Seite der Macht lokalisiert habe, diesen beseitigen.
Doch nicht übereilt… das muss präzise geplant werden… denn ich will sie alle erwischen…

Aber als alles erstes muß ich wieder mit der Macht in Einklang kommen – Meditation ist also angesagt – bevor ich mir über weitere Dinge Gedanken mache. (Im Geiste sehe ich wieder diese blauen Augen vor mir…) Nein! Zuerst meditieren! Dann sehen wir weiter.

Wo zum Kuckuck habe ich meine Starwars Filme hingetan?